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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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aufzubewahren gedachte. Ich räusperte mich ein weiteres Mal und las dann vor:
    Hallo, Kirschkernspucker!
    Heiß ist es, und die Luftfeuchtigkeit drückt einen während der ersten Tage regelrecht zu Boden. Doch irgendwann gewöhnt man sich an das thailändische Klima und beginnt zu genießen.
    Wisst Ihr noch, wie ich aussehe? Ihr wisst es nicht! Das Bild, das Ihr von mir habt, stimmt nicht mehr. Ich bin durch meine Arbeit in den letzten Jahren immer kräftiger geworden, mein Haar durch die stete Überdosis Sonne immer heller, meine Haut so braun, dass die Sonnenstudio-Jünger bei Euch daheim vor Neid schreien würden. Und genau so liege ich hier jetzt auf einer Liege am Pool meines Hotels: blond, braun, muskulös, wunderschön!
    Okay, kleiner Scherz. Die marginalen Verbesserungen meines Äußeren haben mich nicht in einen Robert Redford verwandelt. Aber ich bezweifle, dass der gute Robbie Redford je so glücklich war, wie ich es gerade bin. Und, hey: Ich stottere nicht mehr! Seit ich eigentlich nur noch Englisch spreche, kommt jedes Wort so flüssig über meine Lippen, als hätte ich Schmierseife auf der Zunge.
    Was ich in Thailand mache? Nun, die Rettung des Regenwaldes entpuppte sich als Sisyphusarbeit. Der Kampf gegen multinationale Konzerne ist letztlich ebenso gefährlich wie sinnlos. Ich habe irgendwann eingesehen, dass ich im Kleinen mehr helfen kann als im Großen. Also bin ich nach Thailand geflogen. Noch mache ich ein wenig Urlaub, nächste Woche oder so werde ich mit etwas Sinnvollem beginnen. Hier sitzen haufenweise Amerikaner und Europäer im Gefängnis, die ohne ihr Wissen als Drogenkuriere missbraucht wurden und jetzt einer möglichen Todesstrafe ins Auge sehen müssen. Verschiedene Hilfsorganisationen kümmern sich um sie, bemühen sich um Wiederaufnahme der Verfahren, überwachen die Haftbedingungen, reden einfach nur mit den Leuten. Ich denke, es ist eine gute Sache, dort mitzuarbeiten.
    Der Plan, den ich bis zum Ende meines Lebens verfolgen werde, ist dieser: Ich will so viele Quadratmeter des Planeten Erde sehen wie irgend möglich. Und ich möchte an all diesen Orten ein kleines Zeichen hinterlassen. Irgendetwas Sinnvolles. Das ist die Hilfe, die ich brauchte: Ich musste zum Helfer werden. Das ist es, was ich am Tag, bevor ich verschwand, überlegte: Schlucke ich Schlaftabletten oder gebe ich diesem schlechten Witz, den man Leben nennt, eine zweite Chance.
    Ihr kennt die Antwort.
    Ich wüsste gern, wie es Euch ergeht. Seid ihr glücklich?
    Ich liebe Euch.
    Bernhard
    Bei den letzten Zeilen hatte ich einen Kloß im Hals. Als ich vom Brief aufsah, sah ich, dass Sven weinte. Susann nahm ihn in den Arm. Petra streichelte dem kleinen Jan, der auf ihrem Schoß saß, den Kopf. Und Dille spielte nervös mit einem Flaschenöffner: »Irgendjemand noch ein Bier?«
    * * *
    »Schläft er?«, fragte Dille, als Petra die Tür von Jans Kinderzimmer schloss. Petra nickte lächelnd.
    Dille lockte seine Freundin mit dem Zeigefinger zu sich zum Sofa. Als sie vor ihm stand, nahm er ihre Hände, zog sie langsam zu sich herunter und küsste sie. Leidenschaftlich und dennoch zart. So wie nur Verliebte küssen.
    »Heirate mich!«, sagte Dille und sah sie erwartungsvoll an. Petra aber legte nur den Kopf schief, skeptisch, und sagte nichts.
    »Komm schon«, quengelte Dilbert. »Das ist mein fünfter Antrag. Irgendwann musst du mal einen annehmen! Wir lieben uns doch! Geht’s uns nicht gut? Sind wir nicht glücklich?«
    »In guten wie in schlechten Zeiten?«, sagte Petra ironisch und hob die linke Augenbraue. »Auf ewig treu, bis dass der Tod uns scheide?«
    »Ach Mensch!«, quengelte Dille und klang dabei wie ein beleidigter Zwölfjähriger. »Hab ich auch nur eine einzige andere Frau angeschaut, seit wir zusammen sind?«
    Petra lachte: »Angeschaut, mein Lieber, hast du so ziemlich alle. Außer die über zwei Zentner und die mit Holzbein!«
    »Mmmhjaaa«, druckste Dille. »Aber nur geschaut! Ich bin dir treu!«
    Petra grinste.
    »Uns geht’s doch gut!«, wiederholte sich der zunehmend nervöser werdende Dilbert. »Seit ich zum Einkäufer befördert wurde, verdienen wir doch auch ganz ordentlich. Wir könnten uns sogar eine größere Wohnung mieten! Gib dir einen Ruck, Süße: Heirate mich!«
    Nach einer langen, gemeinen Pause sagte Petra schließlich: »Weißt du was, Schatzi: Erobere mich!« Sie setzte sich an den Esstisch, legte den linken Arm hinter ihren Rücken, den rechten Ellbogen drückte sie angewinkelt auf die

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