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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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antwortete ich und zwang mich zu einem Lächeln.
    »Das ist Knut«, sagte Sven. »Mein Freund.«
    »Oh, hallo«, sagte ich. Und als Knut mir seine Hand reichte, musste ich sie natürlich ergreifen. Knuts Hand war ungefähr so groß wie Svens Kopf. Er hatte Finger wie Currywürste. Nur härter. Und als ich die Pranke schüttelte, war das eine erwartungsgemäß schmerzhafte Erfahrung. Ich sah Knut tapfer in die Augen, während er mir den Saft aus dem Pfötchen presste. Er grinste. Okay: Er kannte also die Geschichte meines volltrunkenen Wutausbruches und wollte mir subtil klarmachen, dass ich Sven besser nie wieder angreifen sollte. Dabei hatte ich das doch sowieso nicht vor!
    Um zu beweisen, dass von mir wirklich keinerlei besinnungslose Gewalteskapaden mehr zu erwarten waren, bestellte ich sogar demonstrativ eine Apfelschorle. Sven wollte ein Bier. Und Knut orderte – echt wahr! – Wasser. Ich wette, die Kellnerin überlegte dasselbe wie ich: Ob sie es ihm in einem Trog vor der Tür servieren sollte. Okay: Ich übertreibe! Eigentlich sah Knut gar nicht übel aus. Er hatte ein sehr ausdrucksstarkes, kantiges Gesicht, und sein immenses Körpergewicht resultierte tatsächlich nicht aus Fett, sondern aus Muskeln. Er sah ein bisschen aus wie der junge Robert Redford – nachdem man ihm eine Luftpumpe in den Mund gesteckt und ihn zwei Stunden lang aufgeblasen hat.
    »Du bist also Journalist geworden«, sagte Sven. »Ich lese manchmal die Morgenpost . Macht’s Spaß?«
    »Ist schon okay. Obwohl ich mir nach einer zweistündigen Pressekonferenz des CDU-Ortsverbandes Bramfeld oder einem Interview mit dem Pressesprecher des Interessenverbandes norddeutscher Kleingärtner e.V. manchmal wünschte, ich hätte etwas Vernünftiges gelernt.«
    Knut lachte. So muss es klingen, wenn sich ein Braunbär amüsiert. Und dann fragte er mich etwas: »Kennst du dich eigentlich mit jedem Thema aus, über das du schreibst?«
    »Nö«, antwortete ich freimütig. »Gestern neues Erbschaftsrecht, heute die Bombardierung von Tripolis, morgen vielleicht etwas über die deutschen Meister im Vierer ohne Steuermann. Wir sind ja eine kleine Redaktion, da hoppst man zwischen der Ressorts herum und versucht sich möglichst schnell in alle möglichen Themen einzulesen.«
    »Der Typ, der für euch die vernichtende Kritik zu Glamour Girls geschrieben hat, hat jedenfalls keine Ahnung«, brummte Knut.
    » Glamour Girls ist das neue Musical im Schmidt’s-Theater «, erklärte Sven. Das Schmidt’s war eine Neueröffnung auf der Reeperbahn, eine schwul eingefärbte und allseits beliebte Kleinkunstbühne. Ich wollte mir dort schon länger mal ein Stück anschauen, war aber bislang noch nicht dazu gekommen.
    »Knut hat die Musik dazu komponiert«, fuhr Sven fort. »Und ich hab das Bühnenbild gemacht!«. Jetzt klang er richtig stolz.
    Dass Sven irgendwann einen Job am Theater finden würde, hatte ich ihm immer gewünscht und irgendwie auch erwartet. Aber dass Knut von Beruf Komponist war, hätte ich nie erraten! Dieser Mann saß hauptberuflich an einem Tisch und verteilte kleine Noten auf dünnen Linien? Dieser Mann dachte sich putzige Trillertöne für Flöten und schmusige Melodien für Geigen aus? Was für ein Instrument er wohl spielte? Alles außer Schlagzeug erschien mir absurd.
    Doch irgendwann war ich über das Phänomen Knut hinweg. Nachdem wir drei uns eine Weile unterhalten hatten, begann ich ihn richtig zu mögen, und seine im ersten Moment alles überschattende physische Präsenz verlor an Bedeutung. Er war herzlich, gutmütig und offenbar verrückt nach Sven. Ein richtiger Pfundskerl, wenn mir dieser finale Kalauer noch gestattet sein sollte.
    Der geoutete Sven irritierte mich sogar noch weniger: Als bekennender Schwuler wirkte mein alter Kumpel auf mich vielmehr endlich komplett. Als hätte jemand das letzte noch fehlende Puzzlestück bei ihm eingesetzt und so das abstrakte Sven-Fragment zu einem plausiblen Menschen gemacht. Hinzu kam, dass Sven mittlerweile alle Huschigkeit verloren hatte. Er war selbstsicher wie noch nie, seine Stimme war lauter und fester geworden, er hatte eine ausgesprochene Schlagfertigkeit und einen ausgeprägten Sinn für Humor entwickelt. Sven hatte endlich herausgefunden, wer er war. Und es gefiel ihm offenbar, was er da entdeckt hatte.
    Überhaupt war es ein erstaunlich angenehmes Gespräch, das wir drei führten. Keiner von uns erwähnte den damaligen Vorfall auch nur beiläufig. Natürlich hatte ich überlegt,

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