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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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üblicherweise noch einmal richtig Gummi gibt, die Pauken mit besonderer Wucht malträtiert, die Streicher zum Hochgeschwindigkeitsfiedeln treibt und die Bläser zum wuchtigen Dauertuten nötigt, nur um dann – Kawumm! Kawumm! Kaaaaaa-wwwwwwummmm!!!  – einen monströsen finalen Akkord anzustimmen und danach endgültig zu verstummen. Ja, so fühlte sich mein Herz an: wie kurz vorm letzten, tödlichen Akkord.
    Während ich also dasaß, an einem Tisch des Schmidt’s-Theaters, mit vermutlich hochrotem Kopf, und mehr oder weniger fest mit einem Infarkt rechnete, sah nun auch Susann in unsere Richtung und entdeckte mich. Und es war nicht gerade Begeisterung, die sich da auf ihrem Gesicht breit machte. Es war eher ein Schock! Ich sah Susann an, grinste schief und unbeholfen, versuchte mein ängstliches Zittern zu verbergen und hob entschuldigend die Schultern, als wollte ich sagen: Da bin ich nun. Weiß auch nicht, was ich hier mache. Sorry.
    Die völlig perplexe Susann stand noch ganz vorn am Eingang. Bis zu unserem Tisch waren es mindestens zwanzig Schritte. Doch sie machte keinerlei Anstalten, auch nur einen davon zu tätigen. Stattdessen drehte sie sich zu dem Mann um, mit dem sie hereingekommen war. Ich bedauere zutiefst, es mitteilen zu müssen, aber dieser Mann sah höllisch gut aus! Das war also Norbert – ein schlanker, großer, dunkler Typ mit schicker Frisur, edlem Anzug und etwas, was ich in meinem gesamten Bekanntenkreis noch nie gesehen hatte: geputzten Schuhen! Verdammt! Susann hatte einen Verlobten, der sich die Schuhe putzte! Nie und nimmer würde ich mit so etwas konkurrieren können! Peinlich berührt schaute ich zu meinen abgewetzten Adidas-Turntretern hinab.
    Sven und Knut, die Susanns Zögern natürlich auch bemerkt hatten, erhoben sich eiligst und stürmten auf sie zu. Ich zwang mich, nicht so genau hinzuschauen, was sich nun dort abspielte, aber aus dem Augenwinkel konnte ich beobachten, dass es eine ziemlich erregte Diskussion über meine unerwartete Präsenz gab. Sven und Knut versuchten offenbar sehr wortreich, die aufgebrachte Susann daran zu hindern, sofort wieder das Theater zu verlassen. Erstaunlicherweise schien es am Ende aber Norbert zu sein, der Susann beruhigte. Er schien das beste und endgültige Argument zu haben, und ihm war es zu verdanken, dass sich alle vier nun auf meinen Tisch zubewegten. Ich war froh, dass Susann nicht den Rückzug angetreten hatte, aber es stank mir, dass das Norberts Verdienst war! Sollte der nicht eigentlich nervös sein, wenn seine Verlobte ihren Ex-Freund wieder sah? Hatte der nicht gefälligst eifersüchtig zu sein? Was für eine maßlose Arroganz, fest davon auszugehen, dass ich keine Gefahr für ihn darstellen könnte!
    Das wollen wir ja mal sehen!
    Ich stand auf, als Susann noch zwei Schritte von mir entfernt war. »Hi!«, sagte ich nervös zu ihr.
    »Hallo«, antwortete Susann kühl.
    »Hallo!«, streckte mir nun der forsche Norbert die Hand hin, »Ich bin Norbert, Susanns Verlobter. Und du bist also Piet! Ich lese manchmal deine Artikel!«
    Roll sie dir zusammen, zünde sie an und schiebe sie dir in den Arsch! , dachte ich. Aber sagen tat ich natürlich: »Hallo, Norbert. Nett dich kennen zu lernen.« Und weil Susann mir inzwischen demonstrativ den Rücken zugedreht und irgendetwas mit Sven zu zischeln hatte, fügte ich – um eine peinliche Stille zu vermeiden – noch eine Frage an: »Was ist denn das? Ein Schminkköfferchen?«
    Norbert hievte die Lederbox, die er in der linken Hand hielt und die so etwa die Größe einer Arzttasche hatte, auf den Tisch und öffnete sie sichtlich stolz: »Ein Mobiltelefon!«
    Tatsächlich: In dem Koffer befand sich ein teils metallenes, teils mit Plastik verkleidetes Telefon, etwa doppelt so groß wie die, die man im Wohnzimmer daheim stehen hat. Links oben ließ sich eine Antenne ausziehen. Was Norbert auch prompt tat.
    »Funktioniert ohne Kabel!«, sagte der Mann mit den geputzten Schuhen so stolz, als hätte er das Scheißding selbst erfunden.
    »Donnerwetter!«, sagte ich. Weil ich ein höflicher Mensch bin.
    »Das Ding machst du aber aus«, sagte Susann, die sich endlich umgedreht hatte, zu ihrem Verlobten. »Nicht, dass es nachher klingelt, wenn Chantal singt.«
    Plötzlich sah Norbert ganz unglücklich aus: »Aber ich erwarte einen dringenden Rückruf von Krützner, wegen der Kursschwankungen!«
    »Stell dir vor, es klingelt mitten in einem Lied!«, drängte Susann. »Und überhaupt: Stell dir vor,

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