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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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irgendwann haben alle Leute so ein Ding, und niemand schaltet es jemals aus. Ständig würde es irgendwo klingeln – in Restaurants, Bussen, Kinos, auf der Straße. Das wäre doch der blanke Wahnsinn!«
    Norbert lachte herzhaft: »Schatz! Solche Telefone sind doch nicht für jedermann. Hast du eine Ahnung, was die kosten? Mobiltelefone für den Mann auf der Straße? Köstlich!«
    »Du schaltest es trotzdem aus!«, befahl Susann. Und damit war das Thema erledigt.
    Susann sah gerade in meine Richtung, und ich öffnete bereits den Mund, um die Chance zu nutzen und irgendetwas zu sagen – als plötzlich das Licht erlosch. Ein Spot schien auf die Bühne, und Chantal erschien! Wir alle setzten uns und applaudierten. Das heißt, Norbert applaudierte nicht: Er fummelte beleidigt an irgendwelchen Knöpfen seiner tragbaren Telefonzelle herum.
    Bereits beim zweiten Lied, das für meine ungeschulten und offenbar chansonuntauglichen Ohren genauso klang wie das erste, erhob ich mich möglichst leise und schlich in Richtung Toilette. Immer wenn ich aufgeregt bin, muss ich im Viertelstundentakt pinkeln. Ich schlängelte mich so leise wie möglich, aber dennoch nicht völlig geräuschlos um die Tische und Stühle und erntete von einigen Zuschauern kurze missbilligende Blicke. Ein Mann sah mich jedoch auffallend lange an. Ich spürte seinen regelrecht bohrenden Blick von der Seite. Als ich mich zu ihm umdrehte, wandte er sich erschrocken ab. Es war ein grauhaariger, alter Knacker, so etwa in den Fünfzigern. Und irgendwie kam er mir vage bekannt vor. Als ich eine Minute später an der Pinkelrinne stand, versuchte ich ihn im Geiste einzuordnen: irgendjemand, mit dem ich mal im Rahmen irgendeiner Recherche gesprochen hatte? Ein Kollege von einer anderen Zeitung? Ein Freund meiner Eltern? Ich kam nicht drauf! Und als ich in den Saal zurückkam, war sein Platz leer.
    Aber Susann war noch da!
    Und Norbert leider auch!
    * * *
    Petra lümmelte sich in einem Liegestuhl am Pool und nuckelte an einem Cocktail, in dem ein kleiner, aufgespannter Sonnenschirm steckte. Sie hätte eigentlich lieber ein Bier getrunken, aber irgendwie erschien ihr das nicht angebracht. Es war eine sternenklare Nacht, irgendwo auf einer anderen Hotelterrasse spielte eine Tanzkapelle, deren schwungvolle Mamborhythmen gedämpft herüberklangen.

    Petra hatte ein enges schwarzes T-Shirt und einen blau gebatikten Wickelrock an, den sie sich in der Duty-Free-Boutique am Flughafen gekauft hatte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen, die sich hier präsentierten, hatte sie kein Interesse daran, sich aufzudonnern. Sie wollte einfach nur den Abend genießen und tief durchatmen. Das ging auch in luftigen Normalklamotten und ohne Make-Up. Ganz abgesehen davon, hatte Petra in den letzten Stunden eine erstaunliche Feststellung machen müssen: Sie war eine der schönsten Frauen weit und breit! Sie hatte trotz zweier Geburten immer noch eine nahezu makellose, schlanke und dennoch an den richtigen Stellen großzügig gerundete Figur. Sie hatte naturrotes Haar, das einfach besser aussah als die rostrot getönten oder brutal blondierten Wischmoppköpfe, die viele der anderen Frauen hier spazieren trugen. Petra hatte Augen, die keines Make-ups bedurften, weil sie selbsttätig funkelten. Und sie vermutete, dass die meisten Männer die kleinen Sommersprossen auf ihrer zum Stupsigen tendierenden Nase sehr apart fanden.
    Der Typ im Flugzeug war das erste Indiz gewesen. Der hatte sie zwei Stunden lang unermüdlich vollgeflirtet, war dann aber am Flughafen in einen anderen Reisebus gestiegen, der ihn in ein Hotel brachte, das dreißig Kilometer von ihrem entfernt lag.
    »Gib mir doch die Adresse deines Hotels!«, hatte er vorher noch vorgeschlagen. »Ich miete mir ein Auto, und ratzfatz bin ich da.«
    »Och, nö«, hatte Petra nur gesagt. »Lass mal stecken!«
    Und so ging es weiter. Petra spürte nahezu unentwegt Männerblicke auf sich ruhen. Manche Kerle musterten sie verstohlen, andere starrten sie ungeniert an, viele lächelten, und manche sprachen sie auch an. Und auch wenn Petra sie alle abblitzen ließ, war es doch kein schlechtes Gefühl. Ihrem Ego ging es jedenfalls noch nie besser! Natürlich wusste sie schon seit langem, dass sie eine gut aussehende Frau war. Nur fand sie es nie besonders wichtig. Und dass sie dermaßen in der Erotik-Oberliga spielte, ahnte sie tatsächlich erst, als sie die offenkundige Feindseligkeit der anderen Frauen in dem Hotelkomplex bemerkte. Es

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