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Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)

Titel: Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gernot Gricksch
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wenig, zog den Kopf zurück, so dass er seiner Mutter in die Augen sehen konnte: »Da ist noch etwas, was du wissen solltest.«
    Amelie sah ihren Sohn schicksalsergeben an.
    Svens Stimme wurde ernst: »Ich wollte es nicht zur Überraschung machen, euch vor vollendete Tatsachen stellen. Deshalb sage ich es dir vorab: Papa wird auch kommen!«
    Amelie zuckte zusammen, löste sich gänzlich aus der Umarmung ihres Sohnes: »Du weißt, wo Papa ist?«, stammelte sie fassungslos.
    »Ich weiß es seit neun Jahren«, sagte Sven leise. »Wir haben uns ein paar Mal besucht. Wir schreiben uns. Wir telefonieren. Ich wusste bislang einfach nicht, wie ich es dir sagen sollte.«
    Amelie war aufrichtig entsetzt. »Wie konntest du nur?«, rief sie mit brüchiger Stimme. Sven blieb ruhig, obgleich auch seine Stimme zitterte: »Ich habe dir verziehen, dass du mir die gesamte Kindheit lang meinen Vater vorenthalten hast. Jetzt musst du mir verzeihen, dass ich diesen Wahnsinn nicht mehr mitmache.«
    * * *
    Als Petra Dilbert den Schlüssel im Türschloss umdrehen hörte, lief sie in den Flur. Sie wollte ihren Mann zur Seite nehmen, bevor er auf Jan stieß. Denn das wäre typisch für ihn: nicht einmal vorher Petra zu begrüßen, nicht einmal vorher die Schuhe auszuziehen, sondern ohne Umschweife in Jans Zimmer zu stürmen, ihn mit einem Schwall Gebrülltem zu attackieren und so vielleicht nie wieder gutzumachenden verbalen Schaden anzurichten.
    Und richtig: Dille hatte schon fast die Hand auf der Klinke von Jans Zimmertür, als Petra ihm zuzischen konnte: »Nicht!«
    Dille sah sie verdutzt an.
    »Nicht!«, wiederholte sie. »Komm erst mal ins Wohnzimmer!«
    Dilbert zögerte kurz, zuckte dann mit den Achseln, zog Jacke und Schuhe aus und folgte ihr ins Wohnzimmer. Das Erste, was er sah, war das Video auf dem Tisch.
    »Ist das die Talkshow?«, fragte er.
    »Nein«, antwortete Petra. »Das ist das Tennisspiel.«
    Dille sah auf seine Armbanduhr und schrie dann entsetzt auf: »Aber das ist doch noch gar nicht zu Ende! Hast du die Aufnahme etwa abgebrochen?«
    Petra schnappte sich ohne ein weiteres Wort das Video und schmiss es mit beträchtlicher Wucht in Richtung Dille. Der konnte jedoch noch ausweichen, so dass das Tape durch die offene Wohnzimmertür in den Flur flog und dort gegen die Garderobe krachte. Sowohl Petra als auch Dille blickten in diese Richtung und sahen dort Jan, dessen Kopf das Wurfgeschoss nur um Zentimeter verfehlt hatte und der sich nun seine Jacke anzog und seufzend den Kopf schüttelte. Bevor Dille noch etwas sagen konnte, verließ der Junge die Wohnung.
    »Also«, knurrte Dille nun seine Frau an, »was ist?«
    Petra nahm die Fernbedienung und drückte auf Play : »Sieh es dir an.« Dille setzte sich ohne ein weiteres Wort in den Sessel, Petra nahm auf dem Sofa Platz.
    Petra hatte das Band bereits bis an die relevante Stelle gespult: »Als Nächstes«, quakte Talkshow-Moderatorin Bella in ihrer gewohnt aufgeregten Stimme, »kommt Jan. Jan ist siebzehn und findet, dass seine Eltern sich scheiden lassen sollten!«
    Dille wand den Blick vom Monitor ab und warf Petra einen entsetzten Blick zu. Doch Petras Gesicht blieb erstaunlich neutral.
    Jan betrat das Studio, das Gesicht zu einem fast unmerklichen, nervösen Lächeln verzogen. Unten im Bild erschien eine Schrift eingeblendet: Jan, 17: »Meine Eltern machen sich gegenseitig das Leben zur Hölle!«.
    Die Kamera schwenkte durch die Zuschauerreihen, wo ausnahmslos Teenager saßen, die größtenteils applaudierten, teilweise kicherten, teilweise miteinander tuschelten.
    Jan ging zu dem Stehpult, an dem Bella ihre Verhöre durchzuführen pflegte.
    »Jan«, sagte die Moderatorin. »Was ist denn so verrückt an deinen Eltern?«
    »Meine Eltern haben mich bekommen, als sie selbst noch Kinder waren«, begann Jan. »Mein Daddy hat deshalb schon mit sechzehn anfangen müssen zu arbeiten. Und meine Mutter war von Anfang an Hausfrau. Die hat nie einen Beruf gelernt.«
    »Und das macht sie unzufrieden?«, hakte Bella ein.
    »Ja, total«, sagte Jan. »Sie wissen es nur nicht.«
    Bella grinste: »Aber du weißt Bescheid?«
    Jan ließ sich nicht provozieren: »Mein Vater«, fuhr er fort, »ist ein totaler Kindskopf. Ich hab ihn echt gern, aber der hatte einfach nicht genug Zeit, sich auszutoben. Und deshalb ist er jetzt eigentlich immer scheiße drauf. Und ich glaube, der weiß nicht mal, woran das liegt.«
    »Und deine Mutter?«, fragte die Moderatorin.
    »Meine Mutter hat in ihrem ganzen

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