Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
sich Petra gegenüber mehr als einmal völlig fassungslos darüber gezeigt, dass sein Sohn seine Pubertät an die Monogamie verschwendete, dass er eine farblose, erschreckend humorlose Freundin wie Sophie all den scharfen Girls vorzog, die ihn zweifelsohne auf dem Schulhof anhimmelten. »Sophie zieht immer eine Fresse, als hätte gerade jemand ihre Katze überfahren«, lästerte Dille. Und Petra hob mahnend den Zeigefinger an den Mund, damit Dille eventuell weitere Gemeinheiten weniger laut von sich geben würde, so dass Jan sie nicht hören konnte.
Doch so irritiert Petra mitunter auch vom grüblerischen, ernsthaften Wesen ihres Sohnes war, so stolz war sie auch auf ihn: Jan würde nächstes Jahr ein vermutlich vorbildliches Abitur abliefern und dann aller Voraussicht nach studieren. Momentan schwankte er zwischen Geophysik und Verfahrenstechnik. Und dass Petra von keinem dieser beiden Studienfächer sagen konnte, was genau dort eigentlich gelehrt wurde und welchen exakten Zweck sie erfüllten, machte sie seltsamerweise umso stolzer.
Jan war ein Junge, der keinen Ärger machte. Anders als die Zwillinge, die in ihren zweimal zwölf Lebensjahren schon mehr Dinge zertrümmert hatten als eine Horde Hooligans nach einem verlorenen WM-Spiel, die die Nachbarn zu dutzenden von wütenden Telefonanrufen wegen unzumutbarer Lärmbelästigung nötigten und keinem Streit aus dem Wege gingen, glänzte Jan seit Jahren schon als wohlerzogener, höchstens mal wortkarger, nie aber als aufsässiger Sprössling.
Und jetzt das!
Dass ausgerechnet Mustersohn Jan sich solch einen Knaller leistete wie diesen Talkshow-Auftritt, war ein doppelter Schock!
Und so riss Petra also die Tür zu Jans Zimmer auf, ohne vorher anzuklopfen. Jan, der gerade auf dem Bett saß und las, schreckte auf und ließ sein Buch fallen. Petra musterte kurz den Titel: Eine kurze Geschichte des Universums . Typisch.
Jan sah seine Mutter an, und sein Blick zeigte, dass er wusste, worum es ging. Er hatte sich offenbar auf diesen Moment vorbereitet. Denn bevor Petra auch nur ein Wort sagen konnte, erhob sich Jan, schaltete den CD-Player aus und nahm eine Videokassette vom Ikea -Schreibtisch. »Bevor du rumbrüllst, schau dir die Sendung erst mal an«, sagte Jan.
»Ich brülle nicht rum!«, brüllte Petra, merkte noch im selben Moment, dass sie sich lächerlich machte, verstummte deshalb und nahm das Video, dass Jan ihr hinhielt.
Jans Gesicht zeigte dabei weder Triumph noch Kampfeswillen. Jan sah sie bloß ernst an, als würde er einer Pflicht nachkommen, die eine höhere Macht ihm auferlegt hatte, die ihm keinerlei Freude bereitete, sondern einfach nur erledigt werden musste. Jans Verhalten war entwaffnend. Petra verließ das Zimmer ihres Sohnes deshalb wortlos, die Kassette in der Hand.
Der Videorekorder im Wohnzimmer nahm gerade irgendein Tennisspiel auf, das Dille sich nachher, wenn er von Penny nach Hause kam, anschauen wollte. Doch Petra hatte nicht die Geduld zu warten, bis dieser Milchbubi Boris Becker den letzten Schlag tätigte. Sie brach die Aufnahme ab, ließ den Rekorder das Band mit dem halben Tennismatch ausspucken und schob dann Jans Bella -Auftritt hinein.
* * *
Frau Dr. Kaliske-Pommerenke war eine Frau, die die Dinge auf den Punkt zu bringen verstand: »Ihr Sperma ist weit unter Mittelmaß«, tat sie mir kund, nachdem sie einen Bericht des Labors überflogen hatte. »Zu wenig Samen, zu langsam, zu schwach, geringe Lebenserwartung.«
Und während ich noch den Schock darüber verdaute, dass das Innere meiner Hoden einer Leprakolonie glich, wandte sich Frau Dr. Kaliske-Pommerenke Susann zu und konstatierte nüchtern: »Ihre Eierstöcke und Ihre Gebärmutter dagegen sind vorbildlich .«
Susann strahlte. Frauen lieben Komplimente. Auch wenn sie sich nur auf ihre Fortpflanzungsorgane beziehen.
Frau Dr. Kaliske-Pommerenke beugte sich ein wenig über dem Schreibtisch vor, so dass mein Blick ungewollt in den Ausschnitt ihres weißen Kittels fiel. Ich sah die Knochen ihres Brustbeins hervortreten und konnte den Ansatz zweier nicht mehr frischer, ziemlich faltiger Brüste erkennen, die von einem schnörkellosen, fleischfarbenen BH davon abgehalten wurden, erbarmungslos der Erdanziehungskraft nachzugeben. Ich betete zu Gott, dass mich dieser Anblick nicht verfolgen würde, wenn ich das nächste Mal in der kleinen Kabine sitzen und mir eine Spermaprobe herunterhobeln musste.
»Ergo«, sagte Frau Dr. Kaliske-Pommerenke, »empfiehlt es sich,
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