Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
ausgewählte, isolierte Spermien ihres Mannes, die zumindest die Grundanforderungen der Reproduktionswerte erfüllen, zielgerichtet bei Ihnen einzuführen.«
Die Ärztin sprach jetzt nur noch mit Susann. Ich war höchstens noch als Zaungast geduldet, hatte mich als Besitzer trantütiger, halbtoter Samenfäden offenbar als Gesprächspartner disqualifiziert und durfte froh sein, nicht für den Rest von Frau Dr. Kaliske-Pommerenkes Ausführungen nach draußen ins Wartezimmer geschickt zu werden, wo all die anderen schwachsamigen Kerle saßen, die versuchten ganz cool dreinzuschauen, als ob wir nicht alle wüssten, dass wir bloß aus einem Grunde herbestellt worden waren: zum medizinisch kontrollierten Wichsen.
Susann hatte all meine Einwände über einen Besuch in der Kinderfabrik , wie ich die Fertilisationsklinik gern nannte, weggewischt: »Du musst doch nichts anderes tun, als dich selbst zu befriedigen. Das hast du als Teenager tausende Male getan, und ich habe gehört, dass sei wie Fahrradfahren: Man verlernt es nicht. Ich dagegen«, und jetzt nahm ihre Stimme einen deutlich ernsthafteren Ton an, »werde etliche, teilweise schmerzhafte Untersuchungen über mich ergehen lassen müssen. Ich werde Hormone gespritzt bekommen, die die übelsten Nebenwirkungen haben können. Ich werde Sex mit einer unterarmlangen, luftpumpendicken Spermaspritze haben. Also fang bloß nicht an, mir etwas von deiner Belastung vorzujammern!«
Und so hielt ich den Mund. Denn wo Susann Recht hatte, hatte sie Recht. Was war es schon für ein Opfer, sich von einem Arzt ein paar Mal an die Nudel greifen zu lassen und auf einer mit Papiertüchern bedeckten Krankenliege unter Zuhilfenahme abgegriffener Schmuddelheftchen etwas Glibber in einen Plastikbecher zu schießen, wenn man dafür am Ende mit einem Kind belohnt wurde. Einem Kind! So richtig konnte ich es mir eigentlich gar nicht vorstellen: Ich als Vater?
Mannomann!
* * *
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht …«, wand sich Amelie. »Ich halte nichts davon. Und dann all die seltsamen Leute, die da kommen. Mir wäre furchtbar unwohl. Ihr könnt doch einfach so weiterleben wie bisher, das Ganze nicht an die große Glocke hängen …«
Sven unterbrach seine Mutter: »Genau darum geht es ja. Dass die Heimlichtuerei ein Ende hat! Ich will meine Beziehung zu Jörn nicht verstecken. Ich liebe ihn! Ich bin stolz auf unser Glück! Und ich will es feiern!«
»Aber gleich …«, Amelie verzog den Mund, » heiraten ? Ich meine, gesetzlich geht das doch auch gar nicht …«
»Es wird aber Zeit, dass es geht. Wir setzen ein Zeichen!«, sagte Sven. »Aber es geht nicht nur um den symbolischen Wert«, ergänzte er. »Ich liebe diesen Mann, und er liebt mich. Wir möchten uns unsere Liebe schwören!«
»Ich weiß nicht, ich weiß nicht ….«, wiederholte Amelie.
Es war schon mehr, als Sven zu hoffen gewagt hatte: dass seine Mutter überhaupt die Erwägung zuließ, zur Hochzeit ihres Sohnes zu erscheinen. In den letzten Jahren hatte sie sich mehr oder weniger damit abgefunden, dass Sven schwul war, tolerierte es unter äußerster Anstrengung. Doch selbst Jörn, mit dem Sven nun seit über drei Jahren zusammen war, der charmant und höflich, als kaufmännischer Leiter eines kleinen, unabhängigen Theaters, wo Sven mittlerweile arbeitete, auch noch beruflich erfolgreich war, selbst diesem Inbegriff eines perfekten, seriösen Schwiegersohnes gegenüber blieb Amelie immer noch reserviert.
Amelie hätte ihren rechten Arm und eine Niere gegeben, wenn Sven sich durch ein Wunder über Nacht in einen Hetero verwandeln würde. Aber sie hatte nach vielen schmerzhaften Jahren angefangen zu begreifen, dass Schwulsein keine Phase ist, dass ihr Sohn auf ewig Männer lieben würde. Und sosehr sie sich auch bemühte, sosehr sie Sven auch liebte: Wenn sie sich ihren Sohn mit Jörn, den sie ja eigentlich mochte, oder irgendeinem anderen Mann nackt im Bett vorstellte, war ihre Schmerzgrenze erreicht. Sie fand es eklig.
»Bitte«, sagte Sven. »Bitte komm! Es ist meine Hochzeit!«
Amelie schluckte.
»Bitte!« Und jetzt flehte Sven ganz offen. »Bitte!«
Fast unmerklich nickte Amelie. »Ja«, sagte sie. »Ich komme. Aber ich werde nicht lange bleiben, ja?«
Sven lächelte. »Ich liebe dich!«, sagte er und umarmte seine Mutter. Die klopfte ihm verlegen auf die Schulter, während er ihr einen dicken Kuss auf die Wange gab.
»Ich liebe dich auch«, flüsterte Amelie.
Sven lockerte seine Umarmung ein
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