Die denkwürdige Geschichte der Kirschkernspuckerbande (German Edition)
ihr Sperma zu lange drinlassen, aber das interessierte sie eher weniger.
Ich wollte ein Kind genauso sehr, wie Susann es wollte. Ich war glücklich wie noch nie: Ich wusste, dass ich endlich die Frau gefunden hatte, mit der ich alt werden wollte. Susann und ich hatten uns vom ersten Tag an als nahezu unfassbar harmonisches Paar erwiesen. Wir ergänzten uns perfekt, wir stritten fast nie. Wir schauten uns nach vier gemeinsamen Jahren immer noch so verliebt an, als hätten wir uns gerade erst entdeckt. Susann war die Frau, mit der ich eine Familie haben wollte! Doch im Gegensatz zu Susann hatte ich mittlerweile den Punkt erreicht, an dem ich unsere Unfruchtbarkeit als traurige Tatsache hinzunehmen gedachte und mich mit aller Macht auf die bürokratischen und nervlichen Anstrengungen eines mehrjährigen Adoptionsverfahren konzentrieren wollte.
Susann dagegen wollte das Wunder der Schwangerschaft erleben, gierte nach der Erfahrung einer Geburt und fand, dass sie und ich zwei ganz besonders zauberhafte Exemplare der Gattung Mensch seien und deshalb unbedingt reproduziert werden müssten.
Jeden Monat einmal brach für uns deshalb eine Welt zusammen, weil Susann ihre Tage bekam. Sie weinte, ich weinte. Es war die Hölle. Und so kramte ich schließlich, als Susanns Regelblutung uns wieder einmal den Traum einer Familie zertrümmerte, aus meiner Tasche das Antragsformular hervor, das ich schon vor Wochen bei der Adoptionsbehörde angefordert hatte.
»Nein!«, schrie Susann. »Ich will das nicht!«
»Aber was nicht geht, das geht eben nicht«, hatte ich traurig konstatiert.
»Geht doch!«, hatte Susann gerufen und einen Prospekt auf den Tisch geknallt. Vorne drauf war das Bild eines Fötus. Und darunter stand:
Praxisgemeinschaft
Prof. Dr. Holgenwardt
Prof. Dr. Saknuris
Dr. Farx
Dr. Kaliske-Pommerenke
Dr. Tattinger
Reproduktionsmedizin
Auweia!
* * *
Zuerst war es nur ein vages Gefühl, doch irgendwann war sich Petra sicher: Die Leute tuschelten über sie! Und sie warfen ihr neugierige Blicke zu! Lachten die sie womöglich sogar aus?
Zuerst war es ihr bei Frau Bussinger aufgefallen, der Nachbarin aus dem Erdgeschoss. Die hatte sie an diesem Samstagmorgen anders gegrüßt als sonst. Süffisanter irgendwie. Und dann war da Moni gewesen, das Mädchen, das beim Bäcker arbeitete. Die sah aus, als hätte sie sich bei Petras Anblick nur mit äußerster Mühe ein lautes Losprusten verkneifen können. Und dann bemerkte Petra, dass Karina und Lotte – zwei Mütter, die Petra schon aus der Krabbelgruppe von Lucy und Florian kannte – schlagartig ihr Gespräch unterbrachen, als sie Petra in den Supermarkt kommen sahen. Die beiden hatten offensichtlich gerade über Petra getratscht – und das feiste Grinsen, das immer noch auf Lottes ohnehin schon ziemlich feistem Gesicht klebte, ließ den Rückschluss zu, dass der Tratsch mit Spott garniert gewesen war.
Was, zum Teufel, war bloß los?
Als Petra vom Einkauf zurückkam, erfuhr sie es.
Dille, der nach der Schließung seiner Bolle -Filiale einen Job als Filialleiter bei Penny angetreten hatte, rief vom Supermarktbüro aus an und brüllte es ihr ohne Umschweife ins Ohr: »Meine Kollegen lachen sich halb tot über uns! Weißt du, wieso? Als Jan letzte Woche in München war, angeblich um einen ehemaligen Schulfreund zu besuchen … da war er in Wirklichkeit als Gast in einer Talkshow! Bei Bella! Die wurde gestern gesendet! Und weißt du, was das Thema war?«
Petra stand nur fassungslos, mit weit offenem Mund am Telefon.
»Das Thema lautete: ›Hilfe! Meine Eltern sind nicht ganz dicht!‹«
Durch die verschlossene Tür zu Jans Zimmer drangen dröhnend die harten Rhythmen von Prodigy – Jans erklärter Lieblingsgruppe. Die Vorliebe für ruppige Musik war so ziemlich das Einzige, was er von seinen Eltern geerbt hatte. Ansonsten ließ nur noch Jans gutes Aussehen darauf schließen, dass er das Kind von Petra und Dilbert war. Mit seinen siebzehn Jahren überragte der Junge mittlerweile seinen Vater um einen ganzen Kopf, steuerte bereits auf die ein Meter neunzig zu. Jan war schlank und als semiprofessioneller Langstreckenschwimmer außerordentlich muskulös. Er hatte Petras ausdrucksstarke Augen und Dilles kantige Kinnpartie geerbt. Doch im Gegensatz zu seinen Erzeugern war er ein überdurchschnittlich stiller, nachdenklicher Mensch geworden.
Jan ging seit zwei Jahren mit demselben Mädchen – einem eher unscheinbaren Geschöpf namens Sophie. Dille hatte
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