Die Depressionsfalle
Arzneimitteln und Medizinprodukten, der Anwendung neuer medizinischer Methoden und angewandter medizinischer Forschung am Menschen eine Ethikkommission einzurichten ist. An der Wiener Medizinischen Universität begutachtet die Ethikkommission klinische Forschungsprojekte, die an ihrer Universitätund im Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien durchgeführt werden. Des Weiteren nimmt sie zu ethischen Fragen Stellung, die ihr von Mitgliedern der Medizinischen Universität Wien oder vom Allgemeinen Krankenhaus der Stadt Wien vorgelegt werden.
Die Einflussnahme dieser Gremien auf den Inhalt der Untersuchung ist begrenzt, da für die inhaltlichen Fragen andere universitäre Körperschaften verantwortlich sind. Fragen des Interessenkonflikts, des Urheberrechts und der Hoheit über die Daten fallen hingegen in die Kompetenz der Ethikkonferenz. Die Kommissionen sind ehrlich bemüht, sie treffen aber auf erhebliche ökonomische Interessen.
Strategie 3: Einfluss auf Publikationen, Journale und Diagnoseprozesse
Die vorhin beschriebene Situation hat für den Standard, die Unabhängigkeit und damit die Vertrauenswürdigkeit wissenschaftlicher Forschung und wissenschaftlicher Veröffentlichungen erhebliche Konsequenzen. Marcia Angell berichtete darüber, dass sie in ihrer Funktion als Herausgeberin des
New England Journal of Medicine
die Erfahrung gemacht hat, dass bei der Veröffentlichung eines Aufsatzes über Antidepressiva im Jahr 2000 die Aufzählung der Verbindungen der Autoren zur Industrie so viel Platz beansprucht haben, dass in der Druckversion der Arbeit nicht genügend Platz zur Verfügung stand und die genaue Darstellung auf der Website der Zeitschrift stattfinden musste. Es war ihr auch schier unmöglich, einen von der Pharmaindustrie völlig unabhängigen Wissenschaftler zu finden, der einen Kommentar zu dieser Thematik hätte abgeben können. Die Einflussnahme der Industrie auf die Publikationsmöglichkeit schlieÃt einige spezielle und sehr bedeutende Probleme ein, die im Folgenden kurz dargestellt werden sollen.
Ghostwriting
Ein Ghostwriter, auch Phantomschreiber oder Auftragsschreiber, ist ein Autor, der im Namen und Auftrag einer anderen Person schreibt. Ghostwriter werden im Auftrag eines Verlages, einer Agentur odereines Autors tätig, insbesondere wenn der in der Titelei ausgewiesene Autor nicht genügend Zeit oder keine ausreichenden Fähigkeiten besitzt, um âseinâ Werk selbst zu verfassen. Die Bezeichnung Ghostwriter setzt indes keine fest definierten Fähigkeiten voraus.
Seit einiger Zeit wird kritisch aufgezeigt, dass die Pharmaindustrie Ghostwriter für die Bewerbung ihrer Präparate beschäftigt. Die Ghostwriter schreiben Artikel in medizinischen Fachzeitschriften, ohne dass ihr Name aufscheint, dafür scheinen Namen von Wissenschaftlern als Autoren auf, die mit der veröffentlichten Forschung nichts zu tun haben oder zumindest nichts oder nichts Substantielles zur Veröffentlichung beigetragen haben. Wissenschaftler, die sich dafür zur Verfügung stellen, ziehen daraus einen mehrfachen Gewinn: Sie werden bezahlt dafür, ihr Name scheint im Kontext der wissenschaftlichen Thematik auf und sie veröffentlichen in einem hoch bewerteten Journal, was wiederum ihrer Karriere nutzt bzw. ihren Ruf festigt. Wie Recherchen ergeben haben, sind von diesem Problem nicht nur irgendwelche unbedeutenden medizinischen Magazine betroffen, sondern die höchst angesehenen und bewerteten wissenschaftlichen Zeitschriften der internationalen Forschung: das
New England Journal of Medicine
, das
British Medical Journal
, das
Journal of the American Medical Association
(JAMA) und
The Lancet
und
Nature Medicine
.
David Healy liefert in
Pharmageddon
umfassende Information über dieses Problem. Auch zu diesem Problem hat Marcia Angell aufgrund ihrer Erfahrung als Herausgeberin des
New England Journal of Medicine
einen wesentlichen kritischen Beitrag geliefert.
Unterdrückung negativer Resultate
Die Erzeugerfirmen der SSRIs gerieten in den letzten Jahren zunehmend unter Druck, weil man ihnen nachweisen konnte, dass sie Studien unterdrückten, aus denen hervorgeht, dass die neuen Präparate entweder nicht wirken oder nicht besser wirken als Vergleichssubstanzen, die bereits in Verwendung sind. Ebenso wird den Erzeugerfirmen vorgeworfen, Beobachtungen über negative Auswirkungen des Gebrauchs nicht zu veröffentlichen undin
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