Die Depressionsfalle
Präparat zu entwickeln.
Strategie 2: Dominanz der klinischen Forschung, Unterdrückung negativer Resultate
Wir haben vorhin dargestellt, dass die erfolgreiche Vermarktung der SSRI durch die Kooperation und Interessengemeinschaft von Industrie und Psychiatrie begünstigt worden ist. In unseren Tagen hat diese Kooperation ein Ausmaà angenommen, das befremdlich wirkt.
Grundsätzlich spiegelt die Situation die Entwicklung wider, der die Forschungsideologie und -praxis seit den 1990er Jahren unterliegt. Die Forschung wurde in dieser Zeit den Idealen der neoliberalen Wirtschaftsphilosophie angepasst: Auch für sie gilt, dass sie groà und auf Wettbewerb ausgerichtet sein muss und Gewinn versprechen muss. Diese Umformulierung brachte die Forschung unter enormen Kostendruck. Um den neuen Zielvorgaben zu entsprechen, musste die Finanzierung auf andere Beine gestellt werden. Die Industrie bot sich in dieser Situation als kompetenter Partner an. Bis zu dieser Zeit war der Einfluss der Industrie auf die klinische Forschung begrenzt gewesen. Auch standen die Wissenschaftler, die von der Industrie finanzierte Forschung betrieben, zumeist nicht in irgendeinem anderen Vertragsverhältnis zu der Auftragsfirma. Diese Situation hat sich grundlegend geändert.
Die Verflechtung der Psychiater mit der Industrie läuft dabei vielgestaltig ab:
⢠Viele akademische Psychiater und viele klinische psychiatrische Abteilungen arbeiten mit dem Geld, das von der Industrie zur Verfügung gestellt wird, und können nur auf dieser Basis ihren akademischen Aufgaben nachkommen, ihren Mitarbeitern akademische Karrieren ermöglichen und ihren Rang innerhalb der Profession verbessern.
⢠Klinische Psychiater führen Zulassungsuntersuchungen für neue Psychopharmaka in ihren Abteilungen durch. Das Design der Studien wird von der Industrie vorgegeben und die Veröffentlichungsrechte liegen bei der Industrie als Auftraggeber.
⢠Die Psychiater, die diese Untersuchungen durchführen, stehen aber darüber hinaus oft in direkten Handelsverbindungen mit der Industrie, sie sind beteiligt an Patenten und an Lizenzgebühren, geben ihre Namen für Artikel her, die von Ghostwritern geschrieben werden, und besitzen Aktien der Firmen, für die sie arbeiten.
⢠Psychiater zählen zu den Topverdienern der Kooperation zwischen Industrie und Klinik. Am 22. März 2013 veröffentlichte der unabhängige âNewsroomâ
ProPublica
die Namen jener22 Mediziner, die seit dem Jahr 2009 mehr als 500.000 Dollar für Vortrags- und Beratertätigkeiten von der Pharmaindustrie erhalten hatten. ( www.propublica.org ) 12 der 22 genannten Persönlichkeiten waren Psychiater. Sie nahmen den ersten, den dritten und den vierten Platz in der Rangliste ein. Der Spitzenreiter hatte in diesem Zeitraum insgesamt 1.009.213 Dollar von AstraZeneca, Cephalon, Eli Lilly, Forest, Merck, Novartis und Pfizer erhalten. In dieser Summe waren keine Forschungsgelder und keine Reisevergütungen enthalten. Der Nächstgereihte hatte ungefähr 278.000 Dollar weniger aus seiner Tätigkeit für die Pharmaindustrie lukriert.
Diese finanzielle Verflechtung hat es der Industrie wesentlich leichter gemacht, in den Verträgen, die sie mit Kliniken und Universitäten abschlieÃen, darauf zu bestehen, in alle Aspekte der Durchführung des Forschungsauftrags eingebunden zu sein. Auf diese Weise können sie Verzerrungen in das Design und die Auswertung einbauen, die die untersuchten Substanzen in ein günstigeres Licht rücken. Vor den 80er Jahren war es üblich, dass den beauftragten Forschern die Verantwortung für die Durchführung des Forschungsauftrags zuerkannt wurde und diese daher ihre eigenen Methoden einsetzen konnten. Heute wird zumeist das Studiendesign von eigenen Firmenbeauftragten erstellt und auch die Analyse der Daten wird von Firmenvertretern durchgeführt. Während früher Firmen den beauftragten Forschern die Veröffentlichungsrechte übertrugen, hat der auftraggebende Konzern heute zumeist auch die Hoheit über die Veröffentlichungsrechte. Die Industrie entscheidet darüber, wie, wo und in welcher Form die Ergebnisse veröffentlicht werden sollen, und die Artikel werden von beauftragten Personen verfasst.
Das österreichische Universitätsgesetz sieht im § 30 vor, dass an jeder medizinischen Universität vom Senat zur Beurteilung klinischer Prüfungen von
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