Die Depressionsfalle
diskriminiert werden bei dieser Vorgehensweise die einkommensschwächeren und arbeitslosen Frauen, denn diesen wird ein GroÃteil der Antidepressiva verordnet. Dies ist auch ein Hinweis auf die Tatsache, dass die wirtschaftliche Situation eines Haushalts â 20 Prozent der Haushalte in Ãsterreich werden von alleinerziehenden Frauen geführt â sehr wohl im Zusammenhang mit depressiven Reaktionen einzelner Mitglieder steht.
Ein grundsätzliches Problem der medikamentösen Behandlung besteht darin, dass bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen die Arzneimittelwirkung auch stark von Wechselwirkungen mit körpereigenen Hormonen und deren Veränderungen während eines Lebens abhängig ist. Wir verfügen nur über wenige gute Studien, die über die Auswirkung des Geschlechts auf das Nebenwirkungsspektrum der gebräuchlichen Mittel Auskunft geben können. Gerade im Hinblick auf die notwendige Dosierung bzw. auf die Wechselwirkungen mit den weiblichen Hormonen ist nur wenig bekannt. Das ist auch eine Folge davon, dass die meisten Hersteller bisher jüngere Frauen aus Angst vor einer möglichen Schwangerschaft während des Untersuchungszeitraums aus Medikamentenstudien bewusst ausgeschlossen haben.
Wissenschaftlerinnen der Klinik für Psychoanalyse und Psychotherapie der Medizinischen Universität in Wien konnten zeigen, dass Frauen, die eine ausschlieÃlich auf Antidepressiva gestützte Behandlung ablehnten und Psychotherapie wünschten, offensichtlich ein durch das öffentliche Gesundheitswesen finanziertes Psychotherapieangebot eher wahrnehmen können als Männer.
Beispiel einer Psychotherapie bei einem âFrauenproblemâ
Eine 50-jährige Patientin wurde von ihrem behandelnden Arzt in die psychosomatische Frauenambulanz mit der Diagnose âDepressionâ überwiesen. Die Ãberweisung war für die Patientin nachvollziehbar, sie fand im zeitlichen Zusammenhang mit dem Absetzen einer Hormonsubstitutionstherapie statt. Unter der Hormonersatztherapiehatte die Patientin eine gewisse Verbesserung ihrer seit Monaten bestehenden Niedergeschlagenheit und Antriebslosigkeit verspürt. Allerdings sei die Hormontherapie schon vor 14 Tagen abgesetzt worden und sie habe trotzdem vor einer Woche eine schwierige Situation, die von ihr unübliche Aktivitäten verlangte, optimal gemeistert, worauf sie offensichtlich stolz war und den Bericht über diese Leistung auch mit einem Lächeln begleitete. Die biographische Anamnese der Patientin ergab, dass die offenbar konservativ unstillbaren Blutungen, die dann zur Entfernung der Gebärmutter und der Eierstöcke führten, in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Tod ihrer kleinen Tochter standen, die seit ihrer Geburt an einer progressiven unheilbaren Erkrankung gelitten hatte. Die Patientin hatte dieses Kind aufopfernd gepflegt, es hatten Zeiten der Spitalspflege mit häuslicher Pflege abgewechselt, immer im Bewusstsein, dass die Lebenserwartung ihrer Tochter extrem begrenzt sei und lebens- und leidensverlängernde MaÃnahmen eher im Krankenhaus als zu Hause getroffen werden könnten. SchlieÃlich verstarb ihre kleine Tochter zu Hause. Manche der Reaktionen der Umwelt vermittelten der Patientin, dass es doch wohl besser so sei, dass das Kind vom Leiden erlöst sei, etc. Sie sollte doch eigentlich erleichtert sein über den Tod des Kindes â dieser sei ja auch für das Kind eine Erlösung, etc. Es wurde ihr auf diese Weise vom sozialen Umfeld die Trauer extrem schwer gemacht bis untersagt.
Der innere psychische Konflikt der Patientin zwischen dem Wunsch, die extrem belastende Pflege möge ein Ende nehmen einerseits, und das Kind möge doch nicht sterben andererseits, hatte die Patientin jahrelang begleitet. Der Tod des Kindes, über den ihr die Trauer so schwer gemacht wurde, löste natürlich auch Schuldgefühle aus: Hatte sie trotz der schlechten Prognose wirklich alles getan, um zu verhindern, dass das Kind starb? Was hätte sie anders oder besser machen können, wo hatte sie selbst versagt oder ein Versagen des medizinischen Systems zugelassen oder nicht wahrgenommen? In diesen Gefühlsverwirrungen, etwa drei Wochen nach dem Tod der Tochter, setzten diese Blutungen ein und die Gebärmutter wurde als âunnützes, störendes oder krankes Organâ entfernt. Die Blutungen und die nachfolgende Operation wurden von der Patientin zum Teilauch
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