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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Fragebogenuntersuchungen. Gefragt wird nach dem Geburtsablauf, nach der Dauer, nach der Schmerzhaftigkeit usw. Es ist aber gar nicht so sehr die Art des Ablaufes relevant oder aber die Schmerzen, sondern die Tatsache, inwieweit das Geburtserlebnis von der ganz persönlichen Erwartung, welche die Frau an die Geburt hatte, abgewichen ist. Diese Abweichungen werden nicht in den Fragebogenuntersuchungen und meist auch nicht mit psychologischen Tests erfasst. Klafft also zwischen der Idealisierung und der Wirklichkeit eine Kluft, kann dies Quelle von Selbstvorwürfen sein oder zur Enttäuschung über sich selbst, zu Ärger oder Wut über Personen, welche aus Sicht der Frau falsche Erwartungen geweckt haben, führen – all dies kann in Depressivität münden.
Multikulturalität
    In einer multikulturellen Gesellschaft müssen jeweils die subkulturspezifischen Einstellungen zu Sexualität, zum Schwanger-Werden, Schwanger-Bleiben, zum Gebären und zur sozialen Mutter-/Elternrolle in den Umgang mit Schwangeren, Gebärenden und Wöchnerinnen einfließen. Ein Versäumnis bei der Berücksichtigung kultureller Besonderheiten kann zu Fehldiagnosen und dementsprechend zu unpassenden Behandlungsindikationen führen. So kann fälschlich die Diagnose ‚Depression‘ gestellt werden, weil das beobachtbare Verhalten einer Frau, auch wenn es dem Kodex der jeweiligen Subkultur entspricht, jenen dem Mittelstand des kulturellen Mainstreams Angehörigen des medizinischen Personals „fremd“ und somit bedrohlich erscheint und die betreffende Frau folglich als „psychisch krank“ etikettiert wird. Auf Fachtagungen der WHO wird gefordert, dass auch den Partnern der betroffenen Frauen psychologische/psychotherapeutische Hilfe angeboten werden soll. Der Ausfall der erkrankten Frau für die Versorgung der Tiere, Felder, etc. in afrikanischen Regionen wird auch als ökonomisches Problem gesehen.
Die Zustandsbilder des Missglückens der Anpassungserfordernisse
    â€¢ Das Bild des Post-Partum-Blues, früher als „Heultag“ bezeichnet, tritt bei 65 bis 80 Prozent aller Frauen am ersten oder zweiten Tag nach der Geburt auf.
    â€¢ Beim Bild eines depressiven Verstimmungszustandes wechseln die Angaben über die Häufigkeit in der Literatur; die Zahlen liegen zwischen 7 und 25 Prozent, was bedeutet, dass – angeblich – immerhin fast ein Viertel aller Frauen nach der Geburt unter depressiven Verstimmungszuständen leidet. Der Häufigkeitsgipfel dieses Zustandes fällt zwischen den 7. und 10. Tag und somit in eine Zeit, in welcher die Frauen nach einer Geburt in der Regel aus dem Krankenhaus bereits entlassen sind und daher schützende Pflege entbehren müssen.
    â€¢ Das Bild des sehr seltenen ‚amentiellen Syndroms‘ (amentiell: a = weg von, mens = Verstand) taucht in Goethes Drama
Faust
auf. Dort wird das junge Gretchen nach der Liebesbeziehung zu Faust als verrückte Kindsmörderin im Gefängnis dargestellt. Diese dichterische Darstellung gilt als klassisches Beispiel für ein seelisches Krankheitsbild, das im Wochenbett auftreten kann. Das Syndrom ist charakterisiert durch ratlose Verwirrtheit, durch ein Gefühl der Verlorenheit und durch Wahnvorstellungen. Die Häufigkeitsziffern werden als weit unter der Promillegrenze angegeben.
    Vom Gesetzgeber wird der Frau im Wochenbett ein psychischer Ausnahmezustand zugebilligt oder unterstellt. Das bedeutet, Straftaten, die in dieser Zeit begangen werden – das gilt besonders für Tötung des Neugeborenen –, werden in der Regel milder beurteilt als in einer anderen Lebensphase.
    Konzentrieren sich die weiteren Ausführungen auf Post-Partum-Blues, Depressionen und psychotische Störungen, bedeutet das nicht, dass nicht eine Fülle anderer psychischer Symptome im Wochenbett auftreten kann. Selbstverständlich kann sich auch jede andere Formeiner neurotischen Störung, eine Angstneurose, eine Phobie oder eine Zwangsneurose nach einer Geburt manifestieren.
Die flüchtige, leise Verstimmung: Baby-Blues
    Der Baby-Blues ist gekennzeichnet durch eine leichte Traurigkeit, eine wehmütige Stimmung, die Ähnlichkeiten mit anderen gefühlsgesteuerten Schwächezuständen wie z.B. nach einer langen, schweren Erkrankung aufweist. Dazu kommt eine Affektlabilität, d.h. Lachen und Weinen können einander rasch abwechseln; auffällige Müdigkeit und

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