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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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Wertlosigkeit und Beschämung, die die Folge des ersten Traumas waren, vorübergehend nicht zu spüren und um dann umso verzweifelter zu sein.
    Alkohol- und Drogenmissbrauch kann ein verzweifelter „Selbstheilungsversuch“ sein, ein Versuch, die Schamgefühle im Alkohol abzutöten. Physische und/oder sexuelle Gewalt und psychische Gewalt muss somit als mitverursachend für Depressivität von Frauen angesehen werden.
Aspekte und Probleme der Depression im Geschlechtervergleich
    Das komplexe Zusammenspiel der weiblichen Körperlichkeit und ihres inneren Bildes mit kritischen Ereignissen im weiblichen Lebenszyklus, insbesondere mit soziokulturellen Faktoren wie Gewalt und Diskriminierung, muss bei einer Erhebung der Krankengeschichte, bei der Diagnostik und der Erstellung von Behandlungsplänen für Frauen mit depressiven Störungen Beachtung finden. Inhalte, die sich als zwingend für die Therapie mit depressiven Patientinnen erweisen, sind:
    â€¢ Die Bedeutung der realen und phantasierten Verluste in der Biografie, einschließlich der Frage,
was
und nicht nur
wer
verloren wurde, besonders im Zusammenhang mit der weiblichen Reproduktion.
    â€¢ Die subjektiven Vorstellungen, das Bild vom eigenen Körper einschließlich der Vorstellungen von Funktionalität und Mangel oder Defekten der Funktion (Dysfunktionalität) einzelner Organe.
    â€¢ Der Umgang mit Affekten: (ohnmächtige) Wut, Angst, Trauer, Scham und Schuldgefühle, Ekel vor sich selbst, Triumph über andere.
    â€¢ Art und Qualität der Beziehung zu anderen wichtigen Personen, besonders jene zur Mutter, auch wenn sie nicht mehr lebt.
    Die Bedeutung der weiblichen Körperlichkeit und insbesondere der Sexualität und Fruchtbarkeit im Zusammenhang mit Entstehung und Aufrechterhaltung von depressiven Störungen ist für die Diagnose und die Wahl der Behandlung unerlässlich. Der Umgang mitVerlust und Kränkung ist kulturspezifisch und stark geprägt von jenen Verhaltenserwartungen und Normen, die von der Mehrheit der Mitglieder einer Kultur an die Träger des biologischen Geschlechts gestellt werden und deren Summe das Konstrukt ‚Geschlechterrolle‘ ausmacht. Das Relativieren dieser Verhaltenserwartungen, die auch in der oft unangemessenen Medikalisierung des weiblichen Lebenszyklus ihren Niederschlag finden, ist ebenso wie das mit der Patientin gemeinsame Aufspüren von positiven Erinnerungen und schützenden Faktoren in ihrer Biographie wichtiger Inhalt der Behandlung.
    Laut des Frauenberichts des österreichischen Bundesministeriums für Gesundheit vom Juni 2012 leiden doppelt so viele Frauen wie Männer an Depressionen und bekommen mehr als doppelt so viele Antidepressiva verabreicht wie Männer. Dieser Bericht muss kritisch hinterfragt werden: Die Tatsache, dass an Frauen doppelt so viele Antidepressiva verordnet werden, bedeutet keineswegs zwingend, dass Frauen doppelt so häufig an Depressionen leiden, da keine Information darüber vorliegt, auf welchem diagnostischen Vorgehen die Indikation zur Therapie mit Psychopharmaka beruht. Diese Indikationsstellungen für die Verordnungen von Psychopharmaka erfolgten und erfolgen überwiegend vor dem Hintergrund der Diagnose „depressive Störung“. Wissend um den Zeitdruck, unter dem Ärzte und Ärztinnen mit einem Kassenvertrag stehen, der sich auf die Zeit auswirkt, die pro Patient zur Verfügung ist, kann die Untersuchung, die zu dieser Diagnose führt, nicht sehr gründlich ausfallen …
    Fakt ist auch, dass Frauen bei psychischen Problemen meist beim oftmals überforderten Allgemeinmediziner landen, wohingegen Männer vorwiegend in fachärztlicher, sprich psychiatrischer Behandlung sind. Medizinsoziologische Forschungen haben gezeigt, dass von Ärzten für Allgemeinmedizin und Fachärzten für Frauenheilkunde an Frauen Psychopharmaka, insbesondere Beruhigungsmittel, die ein beträchtliches Abhängigkeitspotenzial aufweisen, mit keineswegs immer klarer Indikation verschrieben wurden und werden.
    Beachtung sollte auch der Art zukommen, wie die spezifisch antidepressive medikamentöse Behandlung erfolgt. Einer Studie der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zufolge bekommen Frauen in den meisten Fällen ältere, billigere Antidepressiva, diemehr Nebenwirkungen auslösen, Männer hingegen eher moderne, patentgeschützte und teurere Antidepressiva. Besonders

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