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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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sind, können schädliche Einflüsse diese an sich normalen Entwicklungsphasen stören. Diese Störungen der normalen Entwicklung machen sich oft erst später im Leben durch Symptome oder ‚Krankheitszeichen‘ bemerkbar.
    Die für unser Thema interessante normale Entwicklungsphase wird nach Melanie Klein als ‚Depressive Position‘ bezeichnet.
    Es ist jene Entwicklungsphase, in der das drei Monate alte Kind ein ganzes Objekt – eine ganze Person wie z.B. die Mutter – erkennt und zwischen sich und der anderen Person eine Beziehung herstellt. Gleichzeitig kann in dieser Phase allmählich zwischen Fantasie und äußerer Wirklichkeit unterschieden werden. Der Sinn für die Wirklichkeit entwickelt sich.
    Die moderne Säuglingsforschung mittels Zeitlupenvideo und Monitorwiege lehrt, dass die Zeit, in welcher das Kind nur Beziehungen zu Teilobjekten (etwa zu den Händen oder zum Gesicht, etc.) oder gespaltenen Objekten hatte, vorbei ist. Das Kind bezieht sich also jetzt nicht nur auf Brust, Gesicht, Hände oder Augen der Mutter, sondern auf eine ganze Person, die mal gut, mal böse, mal anwesend, mal abwesend, mal geliebt, mal gehasst ist. Alle freuen sich: Das Kind erkennt einerseits seine Mutter und auch andere Personen seiner näheren Umgebung, andererseits werden damit vom Kind auch die eigene Hilflosigkeit und die eigene Abhängigkeit wahrgenommen.
    Die Hauptangst in der depressiven Position hat ihre Quelle in der Zwiespältigkeit, dass die zerstörerischen, hassenden Regungen des Kindes das geliebte Objekt, von dem das Kind sich abhängig fühlt (und es auch ist), zerstören könnten – oder schon zerstört hätten. Die depressive Position beginnt ca. im 3. bis 4. Lebensmonat, wenn das Kind aus Hunger und Liebe alles verschlingt. Damit spürt das Kind die eigenen zerstörerischen Impulse, die in ihm Angst auslösen.
    Die neuen Gefühle in der depressiven Position sind Trauer und Sehnsucht. Wenn die Mutter nicht anwesend ist, spürt das Kind eine Traurigkeit um den ‚Verlust‘ des guten Objekts, weil es glaubt, dieses zerstört zu haben. Als Folge treten die typisch depressiven Erfahrungen von Gewissensbissen und Schuldgefühlen auf. Da Affekte immer gemischt auftreten (es sei erinnert an den bekannten Spruch des „Wermutstropfen in der Freude“), wird Sehnsucht nach dem geliebten Objekt empfunden, Sehnsucht nach dem Liebgehabt-Werden. Wenn es nun in der Zeit der depressiven Position zu schmerzlichen Trennungen kommt, ein Kind häufig allzu lange allein gelassen wird oder es überhaupt lieblos behandelt wird, dann verharrt das Kind in dieser Entwicklungsstufe: Es wartet verzweifelt, dass die ‚Mutter‘ doch kommen möge, es liebevoller angreifen möge. (‚Mutter‘ stehthier für die erste, wichtigste Bezugsperson, das muss nicht die biologische Mutter sein.) Durch dieses Verharren und Warten kann die Entwicklung verzögert werden oder gar vorübergehend zu einem Stillstand kommen.
    Wenn diese Position leidlich gut durchlebt wird – wie dies bei den meisten Menschen unter sogenannten normalen Bedingungen der Fall ist (keine Kriegs-, Flucht- oder Vertreibungssituation, keine bösartig vernachlässigenden oder schwer kranken Bezugspersonen), so sind psychische Schwierigkeiten im späteren Leben eher nicht schwerwiegend: Vielleicht sind sie neurotischer Natur, vielleicht treten sie als mittelschwere Depression in Erscheinung, eine ‚Melancholie‘ oder eine Psychose sind aber eher selten. Selbstverständlich spielt das familiäre System eine große Rolle: Schwer gestörte Kommunikation oder psychische Erkrankungen besonders wichtiger Bezugspersonen können das Kind in einer irrealen, nach außen abgegrenzten Welt halten, mit Reizdefiziten oder überstarken Reizen, die das Kind überfluten und nicht verarbeitet werden können. Im kindlichen Verhalten können diese Probleme zu einem Rückzug oder zu unangemessenen Aggressionen führen.
Folgen intensiver Zwiespältigkeit (Ambivalenz)
    Die Erfahrung lehrt, dass Depressive nicht recht lieben können. Das zeigt sich darin, dass ein Liebesobjekt entweder gleichzeitig gehasst wird oder dass eine Lähmung der Liebesfähigkeit eintritt, die unterdrücktem Hass entspricht. Die Psychoanalyse gibt uns mit ihrer Theorie die Möglichkeit, dieses problematische Verhalten zu verstehen. Bei den

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