Die Depressionsfalle
Reizschutzes wurde entwickelt. Unter Reizschutz versteht man die individuelle Fähigkeit einer Person, auch eines Kindes, sich von den von der AuÃenwelt einströmenden, oft als bedrohlich erlebten Reizen, wie z.B. Lärm, abzuschirmen. Man kann beobachten, wie schon kleine Kinder im Kindergarten sich mitunter die Ohren zuhalten, weil es ihnen zu laut ist. Dieser Reizschutz wird im traumatischen Erleben durchbrochen, die anstürmende Menge von Erregungen wie Angst oder Furcht ist zu groÃ, um gemeistert und psychisch gebunden werden zu können.
Der innere, psychische Wiederholungszwang aktualisiert das traumatische Erlebnis und lässt es vor dem inneren Auge wieder erstehen, in der Erwartung, diese Erregung psychisch binden und damit das seelische Gleichgewicht erneut herstellen zu können. Indem Aufsatz
Hemmung, Symptom und Angst
betont Freud, dass eine traumatische Situation sowohl durch innere, übermäÃige Triebregungen â also durch starke sexuelle oder aggressive Erregung â als auch durch äuÃere, reale Ereignisse entstehen kann.
Der ungarische Arzt und Psychoanalytiker Sándor Ferenczi beschrieb die Wirkung von Lüge und Betrug der Erwachsenen dem Kind gegenüber als traumatisierend. Er betonte die Notwendigkeit von Aufrichtigkeit in der therapeutischen Beziehung, um den Patienten nicht einer Wiederholung alter Unehrlichkeiten auszusetzen. Diese Aufrichtigkeit schafft die Grundlage für das Vertrauen in der therapeutischen Beziehung.
Ferenczi hat viele spätere Erkenntnisse der Traumaforschung vorweggenommen. Er zeigte die zerstörerische Wirkung des Traumas auf, durch die ein âtotes Ich-Stückâ und eine Agonie, also ein plötzlicher, intensiver körperlicher oder seelischer Schmerz (âals ob man sterben müsseâ) entsteht.
Das Trauma kann das Ich, sprich die Person spalten: in eine beobachtende Instanz und einen preisgegebenen Körper. Die angstbedingte Lähmung der Gefühle und insbesondere auch die Wirkung des Schweigens, also der Sprachlosigkeit des Täters, auf das traumatisierte Kind, verstärken den seelischen Schmerz. Daher versteht man, dass jede ärztliche und/oder psychologische Untersuchung und Behandlung immer von ruhigen, sachlichen Erklärungen des/der Untersuchenden begleitet sein muss: Jeder Handgriff muss der Patientin, dem Patienten erklärt werden. Sprachlosigkeit, stummes Agieren, verstärkt die Angst, da dadurch das erlittene Trauma für den Patienten wieder schrecklich lebendig wird. 23
Zwei Meilensteine in der Entwicklung psychoanalytischer Theorie und Praxis brachten wichtige Erkenntnisse. Es sind dies die Forschungen der Wiener Kinderärztin Margaret Mahler zur âpsychologischen Geburt des Menschenâ und â damit inhaltlich eng verbunden â die Erkenntnisse der Objektbeziehungstheoretiker.
Die Forschungen in den 50er Jahren über Symbiose und Individuation des Kleinkindes (auch als âpsychologische Geburt des Menschenâ in der wissenschaftlichen Literatur bezeichnet) konzentrierten sich auf die frühe Mutter-Kind-Interaktion und ihre möglichetraumatische Wirkung auf das Kind, und brachten so neue Erkenntnisse über das Trauma. Die Wirkung traumatischer Ereignisse in den ersten Lebensjahren kann zu Störungen der Ich-Entwicklung, zu Charakterstörungen und zu Perversionen führen. Auch das Versagen der Mutter als Reizschutz durch mangelnde Gegenwart, sowie das Kind überwältigende Trennungs- und Verlassenheitsangst, führen zu unterschwelligen Dauerbelastungen. Das Ich des Kindes kann die traumatische Wirkung nicht verarbeiten, es spaltet das wahre Selbst von sich ab und bildet ein falsches Selbst. 24
Drei Bedingungen müssen zusammenkommen, um ein Ereignis oder eine Situation für das Kind als traumatisch wirken zu lassen:
⢠Das Kind ist vom Erwachsenen abhängig.
⢠Dieser tut gegen die Erwartung etwas höchst Aufregendes oder Schmerzhaftes.
⢠Er weist das Kind danach ab, die Tat wird geleugnet oder das Kind wird fallen gelassen.
Die Objektbeziehung selbst erhält damit einen traumatischen Charakter. Die innere, Schutz gebende Sicherheit und der Dialog zwischen dem Selbst und den inneren Bildern wichtiger nahestehender Personen (Objektrepräsentanzen) brechen zusammen. Dadurch entstehen Inseln von traumatischen Erfahrungen, die von der inneren Kommunikation abgekapselt bzw. abgespalten werden, aber weiter
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