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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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bestehen bleiben und das Gefühlsleben, die Fähigkeit Beziehungen aufzubauen, negativ beeinflussen.
    Viele Erkenntnisse über die Auswirkung von Traumen wurden durch die Behandlung von Überlebenden der nationalsozialistischen Konzentrationslager gewonnen, die in Krankenhäusern in den Vereinigten Staaten, in Israel und anderen Ländern behandelt wurden. Später, in den 60er und 70er Jahren kamen noch Erkenntnisse hinzu, die von Personen stammten, welche die Foltergefängnisse lateinamerikanischer Diktaturen (Chile, Argentinien) überlebt hatten und z.B. nach Schweden gekommen waren und dort behandelt wurden.
    Oft vergingen Jahre bis Jahrzehnte zwischen der Befreiung aus dem KZ und dem Ausbruch der traumatischen Neurose, Depressionoder Psychose. Diese Latenz ist ein wesentliches Charakteristikum von traumatischen Störungen. 25
    Eine weitere wichtige Erkenntnis ist die der indirekten Traumatisierung der nachfolgenden Generation, also der Kinder von denjenigen, die überlebt haben. Viele Überlebende haben ein starkes Bedürfnis, ein ‚normales Leben‘ zu führen, eine Beziehung zu haben, eine Familie zu gründen und Kinder zu haben. Die erlittenen Traumatisierungen übersteigen die seelische Verarbeitungsfähigkeit der Überlebenden und dringen so in das Leben der nachfolgenden Generation ein. Das Schweigen der meisten Überlebenden über die erlittenen Qualen konnte dieses ‚Eindringen‘ nicht verhindern – zum großen Schmerz der betroffenen Eltern. 26
    Das ‚Stockholm-Syndrom‘ wird mittels des objektbeziehungstheoretischen Ansatzes der Traumatheorie verständlich. Unter Stockholm-Syndrom wird ein Vorgang verstanden, für den der Verlust jeglichen, eine empathische Bedeutung vermittelten Objektes verantwortlich ist – d. h., man ist von Feinden umgeben. Dieser Verlust jeglicher Vertrauensperson in der traumatisierenden Situation führt zur Projektion des Empathiebedürfnisses auf den Täter und zu dessen böser Verinnerlichung. Das böse, verfolgende Objekt tritt an die Stelle des inneren Objektes und bestimmt den inneren Dialog. Der Verlust jedes ‚guten‘ Objekts und die verzweifelte Flucht vor diesem bösen Verfolger, die Hilflosigkeit und die Vorstellungen von der Wertlosigkeit der eigenen Person sind Bausteine einer schweren Depression. Die traumatische Situation beeinträchtigt die Fähigkeit, diese zu symbolisieren und ihre Bedeutung zu erfassen.
    Die Traumafragmente in ein übergeordnetes, bedeutungsvolles Narrativ einzubinden, ist ohne Hilfe von außen, also ohne die Hilfe von anderen Personen, nicht möglich. Eine befriedigende Interaktion mit anderen ist daher unbedingt erforderlich. Wenn man seine Erinnerungen mit jemandem teilen kann, wenn die Erzählung in Gegenwart eines engagierten Zuhörers verläuft, kann die Beziehung zwischen Ich und Du wieder hergestellt werden.
    Die ‚man-made disasters‘ wie Holocaust, Krieg, ethnische Verfolgung oder Folter zielen auf die Auslöschung der geschichtlichen und sozialen Existenz von Menschen ab. Um eine derartige schrecklicheErfahrung individuell irgendwie verarbeiten zu können, ist die Anerkennung von Verursachung und Schuld durch die Gesellschaft von herausragender Bedeutung. Jede Leugnung dieser Schuld bedeutet für die Betroffenen eine Retraumatisierung, ein neuerliches Trauma – etwa dann, wenn eine Tageszeitung, in welcher ein ausführliches Interview mit einem Holocaust-Leugner erscheint, diese Aussagen nicht kommentiert oder relativiert. Viele Menschen, die in der Kindheit schwer traumatisiert worden sind, werden als Erwachsene von dem Leid eingeholt und benötigen dann dringend Behandlung.

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Psychotherapie bei Depression
    â€žWir werden auch sehr wahrscheinlich genötigt sein, in der Massenanwendung unserer Therapie das reine Gold der Analyse reichlich mit dem Kupfer der direkten Suggestion zu legieren.“
    Sigmund Freud, 1918
„Die älteste Therapie“
    Der aus
Alice im Wunderland
bekannte Spruch des Dodo-Vogels: „Alle haben gewonnen und alle verdienen einen Preis“ gilt für die Psychotherapie nicht und kann sich als Falle herausstellen. Aber eine psychotherapeutische Methode, beruhend auf einer wissenschaftlich begründeten ‚Psychologie vom Menschen‘, ist sinnvoll und notwendig. Das folgende Zitat über Psychotherapie aus dem Jahre 1904 ist von bestechender Aktualität:

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