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Die Depressionsfalle

Die Depressionsfalle

Titel: Die Depressionsfalle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wilhelm Braumüller <Wien> , Alfred Springer
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wir beobachten, dass sich eine psychologisch determinierte Depression durch exzessive Schuldgefühle entlädt. Patienten, die unter dieser sehr schweren Form von Depression leiden, ist es kaum möglich, zufriedenstellende Beziehungen zu wichtigen anderen Personen aufzubauen, was die Isolierung dieser Menschen noch fördert. Diese von den Betroffenen in manchen Phasen der Depression verspürte Einsamkeit wird oft als Auslöser für Selbstmord angesehen.
Das Rätsel des Selbstmordes
    In der modernen Wissenschaft werden die Bezeichnungen Selbsttötung oder Suizid bevorzugt, diese gelten als sprachlich neutraler. Der Begriff ‚Selbstmord‘ kann stigmatisierend, tabuisierend oder kriminalisierend wahrgenommen werden. Die relativ häufigste Ursache für einen Suizid bzw. für einen Suizidversuch wird heute in psychischen Erkrankungen gesehen. Doch aktuelle Berichte in den Medien über die Häufung von Selbsttötungen in den von der Wirtschaftskrise besonders betroffenen Ländern wie Spanien weisen klar darauf hin, dass Verzweiflung und Aussichtslosigkeit auch ohne das Bestehen einer diagnostizierbaren psychischen Erkrankung Menschen zur Selbsttötung motivieren. Aus Österreichs Geschichte wissen wir, dass die Drohung von bevorstehender Deportation und Ermordung 1938 bei der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten zahlreiche Österreicher in den Suizid getrieben hat.
    Das Interesse an der noch immer rätselhaften Selbstmordneigung schlägt sich in den Tausenden von Texten aller Art über die verschiedensten Aspekte des Suizids nieder, die 1927 Hans Rost in einer Bibliographie zusammengestellt hat. 20 Suizid und Suizidreflexion in Literatur und Film füllen Bibliotheken: Auf Arthur Schnitzlers
Leutnant Gustl
und sein
Fräulein Else
, auf Thomas Bernhards
DieUrsache
und Nikolaus Lenaus Gedicht
Der schwarze See
als bekannte Beispiele in der österreichischen Literatur sei hingewiesen.
    Es war der Wiener Psychiater Erwin Ringel, der wesentlich zur Erforschung des Suizids beigetragen hat. Aus psychoanalytischen Psychotherapien ist bekannt, dass das Verspüren von Selbstmordabsichten einer Person mit einem Mordimpuls gegen andere verbunden ist und dass dieser Impuls dann gegen die Person selbst zurückgewendet wird. Ein Suizid wird von den Angehörigen oft als feindselige Schuldzuweisung und damit als aggressives Verhalten der Person, die sich selbst getötet hat, empfunden. Aber es bleibt die Frage offen, durch welches Kräftespiel eine solche Fantasie zur Tat werden kann. Die Objektscheu schwer depressiver Menschen führt dazu, dass – oft auch als Folge realer Kränkung oder Enttäuschungen – jegliche Zuwendung von anderen Personen abgezogen wird. Dieses Zuwendungs- oder Liebesbedürfnis wird aber nicht auf eine andere Person/ein anderes Objekt verschoben, sondern auf die eigene Person übertragen. Teuflischerweise identifiziert sich der schwer depressive Mensch mit dieser Person oder dem Objekt, das er aus Enttäuschung aufgegeben hat. Die eigene Person, das Ich, wird nun wie das aufgegebene Objekt behandelt und beurteilt. Die Person wird so vom aufgegebenen Objekt überwältigt. Diese Überwältigung des Ichs, der Person durch ‚primitive Götter‘, wie oben beschrieben, stellt sich im Selbstmord dar. Allein die in der Beschreibung des Rätsels Selbsttötung dargestellten aggressiv getönten seelischen Kräfte spiegeln die ohnmächtige innere Wut wider, die in der Selbsttötung ihren Ausdruck findet.
    Die Selbsttötung signalisiert oft den tragischen Ausgang eines Beziehungsdramas. Das Schwanken depressiver Personen zwischen Objektsucht, also der Anklammerung einerseits und der Objektscheu und der Abstoßung andererseits, stellt nur eine Facette des komplexen und oft verwirrenden Systems von Beziehungen dar, in dem wir uns alle orientieren müssen. Die modernen Objektbeziehungstheorien helfen uns, uns zurechtzufinden.
Das psychoanalytische Verständnis von Beziehungen 21
    Die Art und Qualität der Objektbeziehungen, d. h. der Beziehungen zu wichtigen anderen Personen, ist ein zentrales Thema in allen menschlichen Beziehungsfeldern – sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld und selbstverständlich auch im therapeutischen Umgang mit depressiven Persönlichkeiten. Von Geburt an lernen wir im Austausch mit wichtigen Bezugspersonen, Beziehungen aufzubauen, Abstand und Nähe

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