Die Depressionsfalle
über ihre Herkunftsfamilie erzählte, sprach aber dafür, dass ihre Kindheit alles andere als behütet und glücklich gewesen war und sie sich oft vernachlässigt gefühlt hatte, was sie sich nun nicht mehr einzugestehen wagte. Erst als es ihr gelang, sich mit der Wirklichkeit ihrer Kindheit auszusöhnen, und sie sich persönlich davon überzeugen konnte, dass ihre âbösen Gedankenâ über die Herkunftsfamilie dieser keinen Schaden zugefügt hatten, gewann sie wieder Lebenslust und konnte sich an ihrem Kind freuen.
Das Muster von Bewunderung und Neid
Die Selbstdarstellung depressiver Persönlichkeiten ist oft sehr schwer zu ertragen. Ihr Muster ist charakterisiert durch ein Wechselspiel von Idealisierung und Abwertung wichtiger Bezugspersonen. Das mussten wir auch in unserer ärztlichen und psychotherapeutischen Funktion erfahren: Jede/r neue Arzt/Ãrztin wird als Retter in der Not und einzigartig qualifiziert gepriesen und alle vorher konsultierten als unfähig entwertet. Die Erfolge anderer werden verleugnet, z.B.: geholfen habe nicht das verordnete Antibiotikum, sondern der selbst zubereitete Kräutertee. Es ist den Patienten wichtig, Ãberlegenheit und Macht zur Schau zu stellen, sie erwarten Sonderkonditionen. Mit dem Eingehen auf die Idealisierung durch den Patienten ist der Arzt das nächste Opfer der Abwertung. Eine klare Zurückweisung der Idealisierung und eine ebenso klare Verweigerung einesKommentars zur Abwertung der Kollegen können hingegen erste Schritte für eine auf Besserung und Heilung ausgerichtete Zusammenarbeit mit dem Patienten sein.
Das Verfolgende Muster
Dieses Muster ist durch Ãngste und Sorgen um sich selbst und um die eigene Sicherheit charakterisiert, es treten irrationale Ãngste vor Krankheiten, vor Verhungern, Verarmen und Sterben, etc. auf. Die Patienten fühlen sich âvon Feinden umgebenâ. Sie glauben, dass ihnen eine fatale Diagnose verheimlicht wird und zweifeln an der Kompetenz von Arzt oder Ãrztin. Anstatt dieses Misstrauen und die oft unangemessen kritische Einstellung der Patienten auf sich zu beziehen, sollte man die Sorgen und Ãngste ernst nehmen und versuchen herauszufinden, warum überall Feinde gesehen und gesucht werden. Es schwingt sehr viel ohnmächtige Wut in diesen Ãngsten und Vorwürfen mit. Das Erforschen der subjektiven Krankheitstheorie der Patienten kann einen Hinweis auf die ursprüngliche Quelle der Ãngste und Sorgen liefern.
Diese drei Muster sind als Orientierungshilfe zu verstehen und stellen eine Vereinfachung dar. Keine Person ist einem Muster alleine zuzuordnen: Immer wird es sich um ein Mosaik aller drei Muster handeln, wobei die Charakteristika eines Musters jeweils überwiegen werden. Im Rahmen der psychotherapeutischen Beziehung werden diese Muster als Ãbertragungs- und Gegenübertragungsphänomene sichtbar und mittels der psychotherapeutischen Techniken âKlärungâ und âInterpretationâ bearbeitbar. Für die Psychoanalytiker gilt die Art und Qualität der therapeutischen Beziehung nach wie vor als wichtiger Wirkfaktor, ohne dessen kontinuierliche Berücksichtigung kann es kein tragfähiges Arbeitsbündnis zwischen Patient und Psychotherapeut und somit keine auf Heilung oder Besserung ausgerichtete Behandlung geben. Diese grundlegende Erkenntnis für die Anwendung der Psychoanalyse als Behandlung wurde inzwischen von allen anderen, im Kapitel âPsychotherapie der Depressionâ angeführten, psychotherapeutischen Schulen übernommen.
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Depression und Trauma
âDie Katastrophe sagt mit zynischem Gähnen: Geduld, Geduld, du wirst dich schon an mich gewöhnen.â
Masha Kaléko, 1978
Da in der Lebensgeschichte vieler Depressiver Traumen eine fatale Rolle spielen, wie im Abschnitt über Depression bei Frauen gezeigt worden ist, scheint es wichtig, auf die vielfältigen Auswirkungen von Traumatisierungen, auch wenn diese in der Kindheit erfolgt sind, einzugehen. Je jünger ein Kind ist, umso verletzlicher ist es â diese Erkenntnis ist unumstritten.
Definition des Traumas
Das Trauma ist ein Konzept, das ein oder mehrere äuÃere Ereignisse mit seinen spezifischen Folgen für die innere Realität verknüpft. Der Erste Weltkrieg zwang Sigmund Freud und andere Psychoanalytiker, sich mit der krankmachenden Wirkung von AuÃenweltfaktoren zu beschäftigen. Das Konzept des
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