die Detektivin in Jeans
amüsierte sich über Sandras Einfalt.
Sandra legte ihre Hände zum
Sprachrohr geformt an den Mund und rief: „Ruth...! Ruth...! Ich weiß, daß du da
bist. Du kannst Fedor bestellen, daß er das noch bereuen wird. Ich lasse mich
von euch nicht verschaukeln!“
„Klappe! Bist du verrückt!“
unterbrach sie eine wütende Stimme.
Ein Mädchen, rot vor Zorn im
Gesicht, sprang über den Straßengraben, knickte in ihrer Hast um, rieb sich
fluchend ihren linken Knöchel und humpelte auf Sandra zu.
„Was geht dich das an, wen ich
rufe?“ sagte Sandra, obgleich sie ahnte, daß das Mädchen von Ruth oder Fedor
geschickt worden war.
Nur keine Schwäche zeigen,
Sandra! sagte sie sich. Die sollen gleich wissen, mit wem sie es zu tun haben.
„Verschwinde! Ich bin hier mit
jemandem verabredet!“ sagte sie scharf.
Sandras Selbstbewußtsein zeigte
Wirkung.
Das Mädchen blickte verblüfft.
„Sollst mitkommen“, sagte sie
schließlich.
„Wie käme ich dazu? Wer bist du
denn?“ fragte Sandra kühl.
„Fedor schickt mich. Ich bin
Hortense“, sagte das Mädchen.
„Hortense... und weiter?“
„Nichts weiter“, erwiderte
Hortense finster.
Das vereitelte fürs erste
Sandras Bemühen, möglichst vollzählig die vollständigen Namen der
Bandenmitglieder festzustellen.
Sie ärgerte sich darüber.
Doch dann sagte sie sich, daß
die Polizei mit den Namen Ruth, Fedor und Hortense schon eine ganze Menge
anfangen könne. Denn so häufig waren zumindest die beiden letzten recht
ungewöhnlichen Namen selbst in einer Millionenstadt
nicht.
Sie folgte Hortense über den
Straßengraben, den Hortense mit Sandras hilfreicher Hand überwinden mußte.
Im Weitergehen blickte Sandra
sich vorsichtig nach Joschi um.
Sie konnte ihn nicht sehen.
Doch Hortense hatte
mitbekommen, daß Sandra sich umdrehte.
Sie zog Sandra an ihre Seite.
„Bist du allein?“ fragte sie mißtrauisch.
„Siehst du doch“, erwiderte
Sandra knapp.
„Da war vorhin ein Junge auf
der Straße.“
„Ist mir nicht begegnet. Oder
meinst du den Radfahrer? Den kannte ich nicht. Ich hielt ihn zunächst für
Fedor. Aber das war er wohl nicht?“
Mit diesen Bemerkungen war
Hortenses aufgeflackertes Mißtrauen ausgeräumt. Denn Joschi war Sandra nicht
entgegengekommen, sondern ihr vorausgegangen.
Da die Bande ihn offenbar
beobachtet hatte, mußte Sandra Hortense ahnungslos erscheinen, da sie den
Jungen angeblich von Torsten herkommend vermutete.
„Geh voraus“, befahl Hortense.
„Wohin? Ich weiß ja nicht, wo‚s
lang geht.“
„Immer geradeaus. Ich sage es
dir schon, wenn wir da sind“, erwiderte Hortense. „Los, geh schon! Ich will
dich nicht in‚ meinem Rücken haben.“
Mann, war die mißtrauisch!
Doch Sandra fand es klüger,
nicht mit ihr darüber zu streiten. Im Grunde war es ja auch egal, ob sie
vorausging oder Hortense folgte.
Es würden sich ihr gewiß noch
genügend Gelegenheiten bieten, so hoffte sie, Hortense klarzumachen, daß Sandra
sich nicht herumkommandieren ließ.
Es kam jetzt vor allem darauf
an, sich partnerschaftlich zu verhalten.
„Ich stoße dir schon kein
Messer in den Rücken“, sagte sie lachend.
Doch Hortense schien das nicht
lustig zu finden. Sie lachte nicht mit, sondern knurrte: „Möchte ich dir auch
nicht raten.“
In der Hütte warteten Fedor,
Roland und Klaudia.
Fedor war wie gewöhnlich mit
dem Reinigen seiner Fingernägel beschäftigt.
Sandra kannte diese Übung mit
dem langen Messer aus Wildwestfilmen.
Cowboy-Gangster praktizierten
sie.
Sie diente zur Einschüchterung
ihres Opfers.
Meistens wurde das Messer
irgendwann im Verlaufe der Auseinandersetzung unverhofft haarscharf am Kopf des
Gegners vorbei in eine Tür geschleudert, um zu demonstrieren, daß man keine
weiteren Ausflüchte dulde — falls es sich nicht direkt in den Bauch des Gegners
grub.
Sandra hoffte, Fedor versuchte
nicht auch, sich als Westernheld zu beweisen.
Hoffentlich hat er lange genug
geübt, um die Lattentür seitlich von mir zu treffen, dachte sie bei sich.
„Soll ich dir meine Nagelfeile
leihen?“ fragte sie keß.
Die anderen erstarrten.
„Die war vorhin schon so
frech“, sagte Hortense. „Soll ich...?“
Fedor hielt sie mit einer
Handbewegung zurück.
Dann geschah eine Weile nichts.
„Dich kenne ich doch“, sagte
Fedor, nachdem er sich lange genug schweigend seiner eindrucksvollen
Beschäftigung gewidmet hatte.
Die Spitze des großen Messers
zeigte auf Sandra.
„Von der Kneipe“, sagte der
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