die Detektivin in Jeans
Wohnzimmerfenster
und blickte auf die ungewohnt leere Straße hinunter.
„Trostlos! Einfach trostlos, so
ein Sommer in der Stadt“, stellte sie bekümmert fest.
Ihre Mutter blickte von ihrer
Modezeitung auf. „Was jammerst du?“ fragte sie lachend. „So, wie ich dich kenne,
wird deine Unternehmungslust dich schneller und gründlicher in ein Abenteuer
treiben, als uns allen lieb sein kann. Ich stehe jedesmal tausend Ängste aus,
wenn ich dich mit Joschi in der Stadt unterwegs weiß.“
„Ach, jetzt passiert bestimmt
nichts Aufregendes. Es ist ja kein Mensch daheim.“
„Hoffentlich“, bemerkte ihre
Mutter. „Übrigens war es deine Idee, in den Weihnachtsferien in die Berge zu
fahren. Zwei Urlaubsreisen im Jahr kann ich von meinem Gehalt nicht
finanzieren.“
„Aber der Postminister, wetten,
daß der das kann? Ich finde es ungerecht, daß er seinen Angestellten nicht die
gleiche Erholungsmöglichkeit bietet. Schließlich mußt du im Fernmeldeamt viel
mehr arbeiten als er. Denke nur an deine aufreibenden Nachtdienste.“
„Also, wirklich, Sandra! Du
benimmst dich zu dumm. Mit vierzehn solltest du nicht so einen Unsinn reden.
Was hat der Postminister mit unserer Urlaubsplanung zu tun? Außerdem fühle ich
mich nicht überfordert.“
„Wenn wir wenigstens einen gut
verdienenden Haushaltsvorstand hätten!“ seufzte Sandra. „Aber wir sind ja
geschieden. Weshalb hast du nie wieder geheiratet?“
„Um deine Ansprüche zu
befriedigen? So ein übellauniger Teenager wie du es bist, würde jeden Mann
vergraulen“, bemerkte ihre Mutter ironisch.
„Ach, ich bin ganz einfach sauer.
Kein Mensch war heute im Schwimmbad.“
„Abgesehen von den Tausenden
vermutlich, die auf den Liegewiesen in der Sonne schmorten.“
„Aber niemand aus unserer
Clique!“
„Wo war denn Joschi?“
„Ach, der....!“ sagte Sandra
wegwerfend.
Aha! Es hat Krach gegeben.
Daher die gehobene Stimmung, dachte Marlene Faber.
Na, das war ja nicht das erste
Mal und wird vermutlich auch nicht das letzte Mal gewesen sein. Je öfter ein
Freundespaar sich sieht, um so größer ist die Gefahr, daß sie sich gegenseitig
auf die Nerven gehen. Und Joschi wohnte in der Nachbarschaft. Er bekam Sandras
pubertäre Stimmungswechsel ungehemmt zu spüren.
Was allerdings umgekehrt
genauso galt. Im Produzieren von schlechter Laune stand Joschi Sandra nicht
nach.
Zwei zauberhafte Kinder sind
das, stellte Marlene Faber bei sich fest. Manchmal möchte man wirklich leugnen,
daß man sie kennt.
„Rainer trabt jetzt mit seiner
Eva durch die Dünen. Oder sie rekeln sich vor dem Zelt im Sand“, maulte Sandra
weiter. „Unverschämtheit, uns auch noch schriftlich zu geben, wie gut er‚s im
Gegensatz zu uns hat.“ Sandra warf einen wütenden Blick auf die Ansichtskarte
ihres Bruders, die heute angekommen war.
„Er verdient ja auch schon
Geld“, erwiderte ihre Mutter und vertiefte sich erneut in das Modeheft.
Das Telefon klingelte.
Sandra rührte sich nicht. Sie
erwartete keinen Anruf. Joschi würde sich bestimmt nicht bei ihr melden,
nachdem sie ihn auf dem Heimweg vom Schwimmbad angemotzt hatte. Ihre Mutter
sollte getrost selbst den Hörer abheben, wenn sie für die Kümmernisse ihrer
Tochter so wenig Verständnis aufbrachte.
„Geh doch mal ran, Sandra!“
mahnte ihre Mutter. Marlene Faber erwartete auch keinen Anruf. Die meisten
Telefonate in ihrem Heim galten ihren Kindern Rainer und Sandra.
Sandra verließ aufreizend
langsam ihren Platz am Fenster und schlurfte mit hängenden Schultern zum
Telefon. „Ja...?“
„Da bist du ja! Ich dachte
schon, ihr wärt ausgegangen“, sagte ihre Großmutter.
„Nö, wo wollen wir denn hin?“
Scheint mal wieder dicke Luft
zu sein, vermutete Frau Ansbach, Sandras Großmutter, die einem ehemaligen
Rechtsanwalt und Strafverteidiger draußen vor der Stadt in einem alten Haus am
Fluß den Haushalt führte.
„Ich habe eine Neuigkeit für
dich“, sagte sie und überhörte Sandras mürrische Stimmung. Es führte zu nichts,
wenn sie nach dem Grund für die schlechte Laune fragte. Erfahrungsgemäß ließ
Sandra einen endlosen Bericht über die Ungerechtigkeit der Welt, insbesondere
die ihrer Mutter, vom Stapel. Und nachdem ihre Großmutter geduldig zugehört und
sie getröstet hatte, kam anschließend ihre Tochter und brachte die gleichen
Beschwerden gegen die Enkelin vor. Doch während Frau Ansbach in der Nacht vor
Sorgen um ihre Tochter und Enkeltochter nicht schlief, war der Streit zwischen
den beiden
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