Die deutsche Seele
hörte das Schreien ihres anderen Kindes, lief alsbald hinunter, und als sie sah, was vorgegangen, zog sie das Messer dem Kind aus dem Hals und stieß es im Zorn dem andern Kind, welches der Metzger gewesen, ins Herz. Darauf lief sie alsbald nach der Stube und wollte sehen, was ihr Kind in dem Badezuber mache, aber es war unterdessen in dem Bad ertrunken; deswegen dann die Frau so voller Angst ward, dass sie in Verzweiflung geriet, sich von ihrem Gesinde nicht wollte trösten lassen, sondern sich selbst erhängte. Der Mann kam vom Felde und als er dies alles gesehen, hat er sich so betrübt, dass er kurz darauf gestorben ist.
Brüder Grimm: Kinder- und Hausmärchen, Band 1 (1812)
>Bruder Baum, Jugendherberge, Mutterkreuz, Ordnungsliebe, Rabenmutter, Schrebergarten, das Weib
Kirchensteuer
Es fing mit Lippe-Detmold an, mit Oldenburg und Sachsen.
»Das vereinigte Deutschland ist in seiner Substanz kein christlich geprägtes Land, es ist weder katholisch noch protestantisch. Christlich ist allein die Kirchensteuer.« Das schrieb der liberale Chef-Sarkast der alten Bundesrepublik Rudolf Augstein 1991 in einem Leitartikel des von ihm herausgegebenen Spiegel.
Zeit für ein Stoßgebet? Unser Kompromissvorschlag: Man verzichte ausnahmsweise einmal auf die Yoga-Morgenübung und versuche es stattdessen mit den hier folgenden Zeilen. Man kann sie laut und deutlich sprechen oder auch flüstern. Man kann sich dabei an etwas erinnern, vielleicht sogar an die Situation, in der man sie zum ersten Mal sprach. Betete.
Unser Vater in dem Himmel! / Dein Name werde geheiliget. / Dein Reich komme. / Dein Wille geschehe auf Erden wie im Himmel. / Unser täglich Brot gib uns heute. / Und vergib uns unsere Schulden, / wie wir unseren Schuldigern vergeben. / Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Übel. / Denn dein ist das Reich und die Kraft / Und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
So weit das Vaterunser, das Gebet des Jesus von Nazareth. Er hat es seine Jünger beten gelehrt. Es ist aber auch das Gebet des Felix Mendelssohn Bartholdy und der Toten Hosen, die es vertonten. Und es ist das Vaterunser des Martin Luther. So sprach er es 1545. In seinem Deutsch. Und so sprach man es lange Zeit in einer der großen christlichen Kirchen Deutschlands - der Steuerkirchen, in deren Angelegenheiten man sich gern öffentlich einmischt, weil der Deutsche, der zur Steuerabgabe bereite, diese Abgabe für die beste Legitimation des Bürgeranspruchs hält, die Bücher zu prüfen. Er zahlt anstandslos, aber er prüft auch gern. Mehr noch: Für ihn wird die Kirche durch Beitrag und Mitgliedschaft zum Verein und die Bibel zur Satzung. Der Steuerbürger aber erklärt sich zum Laienprediger. Er versteht es, aus allem eine Gebrauchsanweisung zu machen, auch aus der Heiligen Schrift. Für ihn geht das Vaterunser, von ihm durchgesehen, dann so: »Du, Gott, bist unser Vater und Mutter im Himmel, / dein Name werde geheiligt. / Deine gerechte Welt komme. / Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf der Erde. / Das Brot, das wir brauchen, gib uns heute. / Erlass uns unsere Schulden, / wie auch wir denen vergeben, / die uns etwas schuldig sind. / Führe uns nicht zum Verrat an dir, / sondern löse uns aus dem Bösen.«
Das ist das »Vaterunser in gerechter Sprache« von 2006. Keimfrei und zur Eingabe beim IWF bestens geeignet. Während Luther der Anrufung die Feierlichkeit zuspricht, die sie zur zeitlosen Beschwörung werden lässt, machen die Geschlechter-Gerechten die Sprache sozialamtlich kompatibel und das Anliegen zur Wohlfahrtsangelegenheit. Ihr Vaterunser ist das Ende des Vaterunsers, sie aber verstehen es als seine Rettung, die gleichzeitig ihre eigene wäre und für die sie schließlich Steuern bezahlt haben.
Kirchen gehen nicht aus Geldmangel unter.
Dieses Vater-und-Mutter-unser macht aus der Kirche eine Herberge, eine Notunterkunft, und aus dem Gottesdienst eine Sozialarbeit. So hat alles seinen guten Zweck, und zwar durch geordnete Verhältnisse.
Die geltende Regelung der Kirchenfinanzierung ist eine deutsche Besonderheit, sie wurde im 19. Jahrhundert eingeführt. Die Idee kam aus der Staatsverwaltung und wurde anfangs nur in einigen Teilstaaten des Deutschen Reichs angewandt.
Es gibt zwar auch in anderen Ländern diverse Abgaben und Beiträge, die unter anderem den Kirchen zugutekommen, aber nirgends gibt es eine solche Auftragsbestätigung in Form einer Vereinbarung mit dem Finanzamt. Dieses kassiert sogar
Weitere Kostenlose Bücher