Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
Vom Netzwerk:
gepriesen hatte, war für ihn unentbehrlich, um die besten Triebe im Kinde zu fördern: »Wie Gott in der Welt, auf Wiese und Acker, […] das große Erziehungsbuch der Menschheit geschrieben hat, […] so will auch ich in Kinderspiel und Lebenslust des Menschen Erziehungsbuch schreiben […]« Allerdings stand in diesem Erziehungsbuch nicht, Kinder schlicht sich selbst und dem Schlamm zu überlassen. »Spielpflege« hieß das Zauberwort. Um ihre Feinmotorik, Phantasie und Kreativität gezielt anzuregen, gab der Pädagoge den Kindern hölzerne Klötzchen, Kugeln und Walzen zum Spielen - noch heute sind diese »Fröbel-Gaben« in jedem besser sortierten Kindergarten zu finden. Ebenso leidenschaftlich wurde gesungen: »Häschen in der Grube saß da und schlief, saß da und schlief, armes Häschen bist du krank, dass du nicht mehr hüpfen kannst? Häschen, hüpf! Häschen, hüpf! Häschen, hüpf!«
    Der eigentliche Schwerpunkt aber lag auf der Gartenarbeit. Dabei war der Garten mehr als bloß ein Ort, an dem Kinder lernen konnten, ihre Hände sinnvoll zu gebrauchen und einen Apfel von einer Birne zu unterscheiden. Der Kindergarten sollte den Kleinen den Zugang zu jenem Garten Eden wieder eröffnen, den ihre Urahnen beim Sündenfall verspielt hatten. Und auch den Frauen wollte Fröbel mit seinem Kindergarten die Möglichkeit aufzeigen, wenigstens durch die Hinterpforte wieder ins Paradies eingelassen zu werden.
    Schon Martin Luther hatte gepredigt, dass das aufopferungsvolle Leben für ihre Kinder der einzige Weg sei, auf dem die verdammten Erwachsenen vielleicht doch noch den Weg zu ihrem Seelenheil gewinnen könnten. Der Protestant Fröbel setzte die Luthersche Mission fort, indem er neben den Kindergärten Ausbildungseinrichtungen für Kindergärtnerinnen gründete und seine letzte große Publikation Mutter- und Koselieder unter das Motto stellte: »Kommt, lasst uns unsern Kindern leben!«
    Nach Fröbel waren Kindergärten keineswegs dazu da, jenen Müttern, die selbst keine Zeit oder Lust hatten, sich ganztägig um die Aufzucht ihrer Sprösslinge zu kümmern, das Gewissen zu erleichtern, indem sie die lieben Kleinen gut aufgehoben wussten, wenn sie anderweitigen Tätigkeiten nachgingen. Die Erziehung in der Familie durch die leibliche Mutter und die Erziehung im Kindergarten durch die ausgebildete Kindergärtnerin sollten Hand in Hand gehen. »Im Gemüte des Menschen soll seine echte Sinnlichkeit tief gegründet werden; es muss aber eine doppelte Richtung oder Seite des Menschen ihre lebensvolle, lebendige Einheit und Einigung finden, nämlich die Richtung und Seite nach dem Besonderen, Einzelnen und Selbständigen und nach dem Allgemeinen, Einigen, Gemeinsamen.« Diese doppelte Funktion bildete sich in den Kindergärten selbst ab: Im Zentrum gab es zahlreiche »Unfusionsgärtchen«, welche jedes »Kind und Kindchen« so anlegen durfte, dass sich in der Art der Bepflanzung sein »eigenstes, innerstes, stilles, seelenvolles, ungestörtes Gemütsleben« ausdrückte. Umgeben waren diese Inseln des Einzelgängertums von einem »allgemeinen und allgemeinsamen« Garten.
    Ernsthaft ins Spiel vertieft: Kinder mit Fröbel-Gaben. Aufnahme aus den 1930er Jahren.
    Der preußischen Monarchie war dieser naturwüchsige Kollektivismus, in dessen Schutz das Individuum erst richtig zur Blüte kommen sollte, allerdings suspekt. Im August 1851 wurden die Kindergärten als »Teil des Fröbelschen sozialistischen Systems« verboten. Selbst die Proteste von Fröbels illustrerAnhängerschar, zu der auch Karl August Varnhagen von Ense zählte, der ehemalige Gatte der mittlerweile verstorbenen Salonniere Rahel Varnhagen, vermochte die Obrigkeit nicht umzustimmen. (Varnhagen von Ense war überzeugt, dass das »stupide Vieh« von preußischem Kultusminister Friedrich und Karl Fröbel miteinander verwechselt hatte. Letzterer war ein Neffe des Kindergartengründers, Leiter der »Hochschule für das weibliche Geschlecht« in Hamburg und als solcher ein leidenschaftlicher Verfechter von Frauenbildung und Völkerverständigung.)
    Erst eine andere adlige Fröbel-Verehrerin, die Baronin Bertha von Marenholtz-Bülow, erreichte es, dass die Kindergärten im April 1860 wieder zugelassen wurden. Friedrich Fröbel selbst war da schon seit acht Jahren tot. Auch wenn sich der Meister über seine Apostelin zuletzt abfällig geäußert hatte - sie sei »eine Verführerin«, aus deren Bestrebungen »nicht ein einziger Kindergarten« hervorgegangen sei -, ließ

Weitere Kostenlose Bücher