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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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nicht darauf verzichten, ein Waffendepot im Sachsenwald östlich von Hamburg anzulegen, einem der geschichtsträchtigsten und urwüchsigsten deutschen Laubwälder. Ob Christian Klar, der 1982 dort verhaftet wurde, je Wilhelm Heinrich Riehl gelesen hat? »Der Wald allein lässt uns Kulturmenschen noch den Traum einer von der Polizeiaufsicht unberührten persönlichen Freiheit genießen«, schrieb der Begründer der Volkskunde 1854 in seiner Studie Land und Leute und begrüßte den Wilderer, der vom Mittelalter bis in die frühe Neuzeit hinein von den Feudalherren grausam bestraft worden war, als einen Freischärler des Waldes. Wahrscheinlich hätte der linke Terrorist den Verfechter der »germanischen Waldfreiheit« für einen »Faschisten« gehalten - oder hätte Christian Klar klammheimlich zugestimmt, wenn Riehl den Franzosen und Italienern, die über keine »wirklichen Wälder« mehr verfügten, ein »halbwegs ausgelebtes Volkstum« bescheinigte? Wie auch immer, der Gedanke, dass die Freiheit aus den Wäldern Germaniens stamme, findet sich sogar bei einem der geschmähten Franzosen selbst: beim Baron de Montesquieu in dessen staatstheoretischer Abhandlung Vom Geist der Gesetze.
    Wenn man sich die Geschichte der Deutschen anschaut - zumindest seit sie ihre Urwälder verlassen haben -, kann sich jedoch der Verdacht aufdrängen, sie hielten es eher mit den Gesetzen und deren Befolgung als mit der Freiheit. Ist die germanische Waldfreiheit am Ende nichts weiter als eine pathetische Schimäre?
    Die radikalste Verknüpfung von Freiheit und Wald findet sich bei Ernst Jünger im bereits zitierten Essay Der Waldgang von 1951. Hier hat der Waldgang nichts mit einem harmlosen Ausflug ins Grüne zu tun, er wird zur Metapher für den Gang in die Freiheit schlechthin. Der »Waldgänger« ist ein ebenso elitärer wie solitärer Partisan, der sich gegen die Befehle der verwalteten Welt auflehnt. Jünger erzählt die Geschichte eines jungen Sozialdemokraten aus dem Berlin der Nazizeit, der im Hausflur seiner Mietwohnung ein halbes Dutzend Hilfspolizisten erschossen haben soll, als diese sich anschickten, den Befehl zur Enteignung jüdischen Wohneigentums in die Tat umzusetzen. »Der war noch der substanziellen, der altgermanischen Freiheit teilhaftig, die seine Gegner theoretisch feierten«, heißt es rühmend, und weiter: »Wenn wir nun ferner annehmen wollen, dass in jeder Berliner Straße auch nur mit einem solchen Falle zu rechnen gewesen wäre, dann hätten die Dinge anders ausgesehen.«
    Ist dies das Eingeständnis einer Kollektivschuld á la Jünger? Und wieso hat der Wehrmachtsoffizier selbst seine Dienstwaffe nicht zum »Waldgang« in Goslarer, Überlinger oder Kirchhorster Nachbarhäusern eingesetzt, sondern stattdessen bis ins Hotel »Raphael« nach Paris getragen? Aber machen wir es uns mit dem Aburteilen nicht zu leicht. Denn wie Jünger schreibt: »Lange Zeiten der Ruhe begünstigen gewisse optische Täuschungen.«
    Und ein zentraler Gedanke steckt im Waldgang, der allemal wert ist, nicht vergessen zu werden - der Gedanke, dass der Wald der Ort ist, an dem jeder mit seinen Urängsten konfrontiert wird: »Der alte Wald mag nun zum Forst geworden sein, zur ökonomischen Kultur. Doch immer noch ist in ihm das verirrte Kind.« Ist es auch ein Missverständnis, den deutschen Wald für eine preußische Kadettenanstalt zu halten - das »große Todeshaus«, wie Jünger ihn nennt, bleibt er. Jedes verirrte Kind muss allein sehen, wie es die Todesangst in ihm erträgt.
    »Aus der Heimat hinter den Blitzen rot / Da kommen die Wolken her, / Aber Vater und Mutter sind lange tot, / Es kennt mich dort keiner mehr. / Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit, / Da ruhe ich auch, und über mir / Rauschet die schöne Waldeinsamkeit / Und keiner mehr kennt mich auch hier.«
    Das Kind, das so anrührend im Walde pfeift, dass seine Todesangst gar nicht anders kann, als den Zug einer wehmütigen Todessehnsucht anzunehmen, ist natürlich niemand anderes als der Freiherr von Eichendorff. Wer einmal gehört hat, welche Töne Robert Schumann, der Komponist der abgrundtiefen Traurigkeit, durch dieses Gedicht hindurchgewebt hat, der ist sofort bereit zu sterben. Nicht im Auftrag eines klirrenden Vaterlandes. Sondern ganz allein. Für sich. Und dennoch getröstet.
    Dieses urromantische Im-Wald-Sterben ist eines, das Herz und Kopf befreit, und damit auch das Leben, weil es bis zu seinem Schlussakkord noch wuchern darf. Wie ganz und gar anders war

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