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Die deutsche Seele

Die deutsche Seele

Titel: Die deutsche Seele Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thea Dorn
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zuzuordnen, sie haben auch selbst dazu beigetragen.
    Sie hatten zwar den Vorteil der sich laufend verbessernden Technik der Verbreitung ihrer Ideen, aber sie waren nicht nur die Gewinner des Buchdrucks, sondern auch die Verlierer. Der Buchdruck ließ gerade durch die immer einfacher werdende Herstellung von Büchern deren Bedeutung als Machtinstrument der Eliten schrumpfen.
    Mit der Aufklärung entsteht auch der Buchmarkt, und dieser unterscheidet nicht, auch nicht in der Frage der Ideen, und schon gar nicht des Niveaus, auf dem sie in Erscheinung treten. Auch darin zeigten sich die Grenzen der Aufklärung. Vorübergehend versuchte man sich mit der Weimarer Klassik aus der Affäre zu ziehen. Das half aber nicht viel. Weimar lebte vom Tandem Goethe und Schiller, und es war nicht kopierbar.
    Die Macht der Literatur (1): Der Selbstmorden sehe Werther inspirierte auch manchen Leser zum Suizid.
    Um dem Problem beizukommen, musste die Romantik gefunden werden.
    Lesen war im 18. Jahrhundert bereits eine verbreitete Angelegenheit. Was man zu lesen bekam, wollte bereits sortiert und vorsortiert sein. Man hatte schon das Bedürfnis, Goethe und seinen Schwager Christian Vulpius als Schriftsteller voneinander zu unterscheiden. Beide sind Autoren von veritablen Bestsellern ihrer Zeit. Goethe mit Die Leiden des jungen Werthers und Vulpius mit Rinaldo Rinaldini.
    Gemeinsam ist ihnen, dass sie ein gewisses Protestpotenzial sublimieren. Der von Unzufriedenheiten geplagte Leser kann sich mit den Figuren der beiden Texte identifizieren.
    Gemeinsam ist ihnen auch eine erstaunliche Langlebigkeit im kollektiven Gedächtnis. Goethes Werther ist nicht nur Schulpflichtlektüre, er ist sogar mit der Adaption an die DDR-Verhältnisse durch Ulrich Plenzdorf mit seiner Erzählung Die Leiden des jungen W. zu neuer politischer Brisanz gekommen, aber auch Vulpius büßte zumindest den Ruf der Botschaft nicht ein. Aus seinem Roman stammt das Räuberlied In des Waldes tiefsten Gründen. Sein Held aber, dessen Vorbild der beliebte Räuberhauptmann Frau Diavolo gewesen sein soll, wird 1968 zum Protagonisten einer 13-teiligen TV-Serie in deutsch-französischer Koproduktion, die von der ARD mit dem Romantitel Rinaldo Rinaldini gesendet wurde. Der französische Titel lautete: La Kermesse des Brigands.
    Es war Schiller, der den Romancier »Halbbruder des Poeten« nannte, eine nicht nur folgenreiche Äußerung, sondern auch eine bezeichnende, was die Vorstellung von der Schriftstellerei in Deutschland betraf in einer Zeit, als unsere Literatur in mancherlei Hinsicht noch in ihren Anfängen steckte. Was machte den Roman in Deutschland für die schreibende Zunft so uninteressant, dass man sich als Autor erlauben konnte, ihn bibliographisch in die zweite Reihe zu verbannen?
    Dabei wurden Romane durchaus gelesen, gerade im 18. Jahrhundert, es war nicht anders als heute. Man las die Übersetzungen der Moderomane aus dem Französischen und Englischen und machte sie, so gut es ging, auf Deutsch nach. Ein Beispiel dafür sind die zahlreichen Robinsonaden in den Versionen deutscher Autoren.
    In der später sogenannten Weltliteratur stellt der Roman von Anfang an - am Ende des Mittelalters und am Anfang der Neuzeit - das Königsgenre und beruft sich dementsprechend gern, und zwar im angelsächsischen Raum und in den vulgärlateinischen Territorien Spaniens und Frankreichs, ausdrücklich auf das Versepos und den Ritterroman. Er ist auserkoren, der Bürgerschaft in der allgemeinen Verzweiflung der Zeit, in ihren großen Hoffnungen und eschatologischen Ängsten ein Sittengemälde zu verschaffen. Die Romane dieser Übergangszeit sind eminent satirisch. Kaum eine andere Kunst hat so anschaulich das Weltbild des Adels ausgeschmückt und bruchlos das des aufstrebenden Bürgertums.
    Die Form des Romans ist dehnbar genug. Indem sie der Unterhaltung und der Erziehung gleichermaßen zu dienen weiß, erreicht sie das größtmögliche Publikum. Damals wie heute.
    Der Roman schenkt dem Leser einen Logenplatz wie in der Oper. Er lässt ihn in dem Glauben, ein Libretto in die Hand bekommen zu haben, das Skript zur Verfolgung der Handlung auf der großen Bühne. Es ist der Roman, der die Belletristik zum Lesestoff macht. Er entspricht aber auch wie kein anderes Genre dem Lebensgefühl einer Zeit und einer Gesellschaft. Doch muss man sagen, das Verhältnis der Deutschen zum Roman ist bis heute gespalten. Immer kamen die wichtigsten Romane aus dem Ausland. Mit dem eigenen deutschen

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