Die Deutschen
1919 demonstrieren Arbeitslose unter Führung der Kommunisten gegen die Regierung Eisner-Auer und fordern die Freilassung der Kommunistenführer, deren Verhaftung Eisner am Vormittag persönlich veranlaßt hatte. Trotzdem begünstigt Eisner die Rätebewegung. In der Sitzung des bayerischen Landesarbeiterrates bemerkt er unter anderem: »Wir stehen vor der Weltrevolution. Es ist die Stunde der Entscheidung. Wenn man sagt, daß die Nationalversammlung die Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte entbehrlich macht, so behaupte ich, es wäre noch eher die Nationalversammlung entbehrlich als die Arbeiterräte.«
Die Wahlen zum neuen bayerischen Landtag am 12. Januar 1919 bringen den bürgerlichen Parteien einen deutlichen Sieg. Als stärkste Partei mit 66 Abgeordneten zieht die Bayerische Volkspartei in den Landtag ein. Die Unabhängigen Sozialdemokraten haben nur 3 Sitze erobert, die spd behauptet sich mit 61 Abgeordneten. Bürgerliche Parteien und spd drängen nun gemeinsam auf die Einberufung des Landtages und den Rücktritt der Regierung.
Beim ersten Zusammentritt des Landtages, am 21. Februar 1919, will Kurt Eisner die im Ministerrat festgelegte Erklärung abgeben, daß das Gesamtministerium von seinen Ämtern zurücktrete und sie dem Landtag zur Verfügung stelle. Aber die Räte sind nicht bereit, abzudanken. Sie bereiten sich auf eine »zweite Revolution« vor, wenn das Parlament versuchen sollte, die Räte abzuschaffen. Ein neuer Machtkampf steht bevor. Wie Kurt Eisner taktieren wird, ist noch völlig ungewiß.
Am 21. Februar wird Eisner auf dem Wege zum Landtag ein paar Minuten vor 10 Uhr an der Ecke Promenadeplatz-Prannerstraße von dem konterrevolutionären Leutnant Graf Arco-Valley durch drei Kopfschüsse von hinten ermordet. Eisner ist sofort tot.
Eine ungeheure Aufregung ergreift Arbeiter und Soldaten in München. Dem Attentat folgt sogleich ein zweites. Das Mitglied des Arbeiterrates, Lindner, schießt auf den Sozialdemokraten Erhard Auer, den er für den Inspirator des Mordes an Eisner hält; Auer ist schwer verwundet. Beim Verlassen des Sitzungssaales erschießt Lindner noch den Major Jahreiß, der sich ihm in den Weg stellt. Außerdem wird der Abgeordnete der Bayerischen Volkspartei Osel ermordet, ob von Lindner oder von einem anderen, ist nie genau festgestellt worden. Festgestellt wurde später nur, daß Auer das Weihnachtsfest in Gesellschaft mit Arco gefeiert hatte. Als der Eisner-Mörder Arco nach der Tat, von einem Leibwächter Eisners verwundet, in einer Klinik lag, ließ Auer ihm durch seine Tochter einen Strauß weißer Chrysanthemen überreichen.
In München und im ganzen Lande herrscht Anarchie. Der Landtag ist »auseinander gelaufen«. Der Generalstreik wird ausgerufen und der Belagerungszustand verhängt. Die Frage der Macht ist wieder offen.
Die Stimmung der Massen in München ist so sehr gegen den Landtag gerichtet, daß er weder wagt, neu zusammenzutreten, noch durch Truppen geschützt werden kann. Die Räte beherrschen am 21. Februar und in den folgenden Tagen die politische Lage.
Noch am Tage der Ermordung Eisners wird aus den drei Parteien spd, uspd, kpd und den Vollzugsräten der Arbeiter-, Bauern- und Soldatenräte ein Aktionsausschuß gebildet, der die Neukonstituierung des Zentralrates beschließt und durchführt. Zu Beginn seiner Arbeit faßt der Zentralrat folgende Beschlüsse: Verbot der bürgerlichen Presse; Bewaffnung des Proletariats; Verhaftung von 50 Geiseln aus dem Lager der Konterrevolution. Schon nach kurzer Zeit wird das Verbot der bürgerlichen Presse durch eine Vorzensur ersetzt, die nicht funktioniert, weil die »geeigneten Kräfte« dafür fehlen. Die Bewaffnung des Proletariats wird in die Hände der Gewerkschaftsführer und des Stadtkommandanten gelegt, der sich jedoch bald als Konterrevolutionär erweist. Die Geiseln werden freigelassen – unter der Bedingung, daß sie ihr Ehrenwort geben, München nicht zu verlassen und sich zur Verfügung des Zentralrates zu halten.
Im Rätekongreß ist die zielstrebigste Partei die Sozialdemokratie, die den Rätekongreß schwächen und eine Regierung ähnlich der in Berlin schaffen will. In einer der nächsten Sitzungen des Rätekongresses, am 1. März 1919, wird ein provisorisches Ministerium gewählt, bestehend aus Vertretern der spd und der uspd, einem Bauernbündler und einem bürgerlichen Fachminister.
Der Rätekongreß vertagt sich vom 1. März auf den 5. März. Diese Zeit nutzen die SPD-Führer zu Verhandlungen
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