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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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November 1918 leuchten von den Münchner Anschlagtafeln die roten Proklamationen Kurt Eisners »An das bayerische Volk«, worin die Dynastie Wittelsbach als abgesetzt und Bayern zur Republik erklärt wird.
    Die Revolution hatte sich in der Nacht vom 7. zum 8. November mit überraschender Schnelligkeit vollzogen. Die Mehrheit der Münchner Bürger hatte die umstürzenden Ereignisse verschlafen. Doch diese Ereignisse hatten ihre Vorgeschichte.
    Am 3. November 1918 fand vormittags eine Demonstration der Münchner uspd auf der Theresienwiese vor der Bavaria statt. Es beteiligten sich nicht übermäßig viele Menschen, aber verhältnismäßig viele Soldaten in Uniform. Anschließend zogen einige hundert Teilnehmer zum Gefängnis Stadelheim und setzten bis abends die Haftentlassung der Männer durch, die im Februar 1918 in München unter Führung Kurt Eisners einen Streik der Rüstungsarbeiter gegen den Krieg in Bewegung gesetzt hatten. Zwei Tage später, am 5. November, rief die uspd erneut zu einer nächtlichen Kundgebung auf der Theresienwiese auf. Man feierte den Sieg der aufständischen Matrosen in Kiel. Rufe wurden laut nach Arbeiter- und Soldatenräten, nach Waffen und nach sofortiger Revolution. Eisner warnte vor überstürztem Handeln, erklärte aber, daß sich München in den nächsten Tagen erheben werde und daß das Militär bereits gewonnen sei. Am 7. November 1918 hatten die spd, die uspd und die Gewerkschaften die Bevölkerung zu einer großen Friedensdemonstration aufgerufen. Nachmittags 3 Uhr versammelten sich Tausende auf der Theresienwiese. Von mehreren Tribünen aus sprachen die Vertreter der sozialistischen Parteien zu den Massen, unter denen wiederum viele Soldaten waren, obwohl für sie Ausgehverbot angeordnet war. Nach Schluß der Kundgebung forderten die Sozialdemokraten, vor allem ihr Führer Erhard Auer, die Arbeiter zur friedlichen Heimkehr auf. Viele folgten ihnen und formierten sich zu einem Zug durch die Innenstadt bis zum Friedensengel; von dort aus begab man sich friedlich nach Hause. Doch die Vertreter der uspd unter Führung Kurt Eisners und Hans Unterleitners zogen mit ihren Anhängern zu verschiedenen Kasernen im Norden der Stadt, wo sich die Soldaten ihnen sofort anschlossen. Die Waffendepots wurden besetzt und Soldaten und Zivilisten bewaffneten sich. Daraufhin besetzten die Aufständischen das Landtagsgebäude, das Generalkommando, die Stadtkommandantur, das Kriegsministerium, Telefon- und Telegrafenamt, die Funkstation und andere Schlüsselpositionen. Im Landtag bildete sich ein Arbeiter-, Soldaten- und Bauernrat als Träger der gesamten politischen Macht mit Eisner als Vorsitzendem, und noch in der Nacht zum 8. November wurde die Republik Bayern proklamiert.
    Am Vormittag führt Eisner ein Gespräch mit dem ehemaligen königlichen Ministerpräsidenten, der unter Protest seine Amtsräume aufgibt, und dem »königlich bayerischen Sozialdemokraten« Auer, der sich – zögernd – bereit findet, unter Eisner das Innenministerium zu übernehmen. Kein Schuß ist gefallen, kein Tropfen Blut vergossen. Eisner hatte, mit den Massen hinter sich, in einem kühnen Alleingang innerhalb von 24 Stunden die Revolution in München und damit in Bayern zum Siege geführt.
    Die Wahl der ersten revolutionären Regierung Bayerns beruft neben Kurt Eisner als Ministerpräsidenten zwei uspd -Mitglieder, vier Sozialdemokraten und einen linksbürgerlichen Vertreter als höchste Staatsbeamte. Das Volk will wie im übrigen Reich das Ende des Krieges, den Sturz der Militärherrschaft und schließlich den Sturz der Monarchie.
    Es gibt zwar Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte, aber trotzdem stimmt Kurt Eisner der Wahl eines Landtags zu, der verfassunggebende Vollmachten haben soll. Eisner selbst stützt sich auf diese Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte – oder doch wenigstens auf die Institution, die sich diesen Namen gegeben hat.
    In der Nacht vom 6. zum 7. Dezember 1918 versuchen radikale Kräfte in München, die Redaktionen der bürgerlichen Zeitungen zu besetzen und eine »proletarische Zensur« einzuführen. Gleichzeitig wird der Innenminister Auer gezwungen, abzudanken. Der Vorgang bleibt allerdings nur ein nächtlicher Spuk, denn am nächsten Morgen macht Eisner alle diese Schritte wieder rückgängig. Doch der Druck von links verstärkt sich. Am 19. Dezember wird Eisner in einer Münchner Kommunistenversammlung niedergeschrien, als er gegen den Kommunismus russischer Prägung spricht. Am 10. Januar

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