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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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allen Umständen zu halten. Mit den angekündigten Verstärkungen aus dem Leunawerk wollte ich die Grünen im Rücken angreifen.
    Zu Fuß lief ich dann zu unserem am weitesten vorgeschobenen Posten. Dabei geriet ich um ein Haar in die Hände der Sipo. Ich sah keine Möglichkeit, zu entkommen, und hielt mich für verloren. Da hörte ich mehrmals meinen Vornamen rufen. Mehrere Bergarbeiter, die Notstandsarbeiten verrichteten, erkannten mich und winkten mir. Sie hatten die große Gefahr bemerkt, in der ich mich befand, und brachten mich in das Innere der Kohlengrube. Die Arbeiter … verschafften mir Nachrichten über die Vorgänge in der Oberwelt. Der größte Teil unserer Truppe hatte sich aus der Umklammerung der Sipo freigemacht. Ich beauftragte einen der Genossen, festzustellen, auf welchem Weg ich mich zu meinen Leuten durchschlagen könne.
    Hunderte von Metern saß ich unter der Erde, kaum einen Schritt von den großen Motoren der Pumpanlagen entfernt, die einen ohrenbetäubenden Lärm machten. Trotz dem fürchterlichen Radau und der Gefahr – ich stand auf schwankendem Brett über der Maschine – fiel ich in einen todesähnlichen Schlaf. Die Natur forderte ihr Recht, nach all den Spannungen und schlaflosen Nächten der letzten Tage. Der zurückkehrende Genosse rüttelte mich: ›Es ist Zeit, Max!‹ Auf schlüpfrigen Leitern kletterte ich nach oben. Ein älterer Genosse, der zum Betriebsrat der Grube gehörte, führte mich zu den in Gröbers kämpfenden Arbeitern.
    In Gröbers traf ich nicht wie erwartet, meine Ammendorfer Kampfgenossen, sondern eine in Bitterfeld und Holzweißig aufgestellte Arbeiterkompanie unter Führung des Genossen Thiemann.
    Gerhard Thiemann, der mit seiner Familie in Werden in Sachsen wohnte, hatte wegen seiner kommunistischen Gesinnung dort keine Arbeit mehr bekommen und Beschäftigung in einem Betrieb in Bitterfeld gefunden. Kaum hörte er von dem Ausbruch des mitteldeutschen Aufstandes, als er sich sofort mit großem Geschick daran machte, die kampffähigen Arbeiter in Bitterfeld und Holzweißig zusammenzufassen, um sie zu den in Ammendorf kämpfenden Arbeitern zu führen.
    Während der Kämpfe in Gröbers, Wettin und Beesenstedt verhielt sich Thiemann ungemein tapfer. Er gönnte sich keinen Augenblick Ruhe, war immer auf dem Posten, und sein Beispiel wirkte anfeuernd auf die Truppe.
    … Thiemanns gut organisierte und bewaffnete Truppe hatte sich von Bitterfeld bis Gröbers durchgekämpft und in Gröbers ein schweres Gefecht mit der Sipo bestanden. Dabei erbeuteten die Arbeiter zwei Minenwerfer und andere Waffen und machten vier Gefangene. Von meinen Bekannten aus dem Ammendorfer Gefecht traf ich nur Josef Schneider. Ich erfuhr, daß Teile meiner Truppe bis ins Mansfelder Gebiet geflüchtet waren und mich dort erwarteten. Ich beschloß, Thiemanns Truppe zu den Genossen im Mansfeldischen zu führen. Um nicht von der Sipo oder der Reichswehr abgeschnitten zu werden, war ich gezwungen, auf Umwegen und im Zickzack vorzustoßen …
    In Wettin hatten wir ein Gefecht mit der Einwohnerwehr. Nachdem in Wettin die Truppen verpflegt und gelöhnt worden waren, begann der Weitermarsch nach Mansfeld. Josef Schneider hatte an diesem Tag außer der Löhnung (per Mann fünfzig Mark) noch über 30000 Mark verausgabt, die er an Wettiner Geschäftsleute für Schuhe, Wäsche, Brot und Fleisch auszahlte. Die Bekleidung und Beschuhung der Genossen, die durchweg von ihrer Arbeitsstelle zu den Waffen geeilt waren, befand sich in mangelhaftem Zustand und mußte ersetzt werden.
    Nach Einbruch der Dunkelheit konnte ich mich an Hand der Karten schlecht orientieren. Ich fuhr wie gewöhnlich an der Spitze des Zuges und war verantwortlich dafür, daß wir uns nicht verirrten. Zwischen dem ersten und dem zweiten Wagen befanden sich die Meldefahrer, die die Verbindung mit dem Vor- und Nachtrupp herstellten.
    In der Nacht vom 31. März zum 1. April erreichten die Truppen den Ort Beesenstedt. Hier sollte Rast gemacht werden und das während des Marsches in der Feldküche gekochte Essen verteilt werden. Die Arbeitersoldaten wurden in den drei Domänen des Ortes einquartiert.
    Freitag, den 1. April, kam es zu dem mörderischen und tragischen Gefecht bei Beesenstedt. Unsere militärische Lage hatte sich in den letzten achtundvierzig Stunden erheblich verschlechtert. Eine größere Formation revolutionärer Arbeiter existierte nicht mehr. Durch die schweren Kämpfe in Ammendorf und Leunawerk waren die vereinten

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