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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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eines von beiden!«
    Die Versammlung bleibt weiterhin durch die nationalsozialistischen Sturmtrupps von dem Verkehr nach außen hin abgesperrt. Hitler kehrt in das Nebenzimmer zurück. Da erscheint Ludendorff. Er erklärt, sie müßten alle zusammen vorwärts gehen, ein Zurück gebe es jetzt nicht mehr. Lossow ergreift mit Tränen in den Augen die Hand Ludendorffs und erklärt: »Euer Exzellenz Wunsch ist mir Befehl. Ich werde das Heer zum Kampf versammeln, wie Euer Exzellenz es für erforderlich halten.« Kahr indessen erklärt: »Ich kann die Verwaltung nur als Vertreter der Monarchie übernehmen.« Sofort entgegnet Hitler, er begebe sich unverzüglich zu »Seiner Majestät«, worauf Kahr mit beiden Händen die Hand Hitlers ergreift.
    9 Uhr 45 erscheinen alle wieder im Saal. Kahr gibt mit bewegter Stimme folgende Erklärung ab: »In des Vaterlandes höchster Not übernehme ich die Leitung der Staatsgeschäfte als Statthalter der Monarchie – der Monarchie, die heute vor fünf Jahren so schmählich zerschlagen wurde. Ich tue das schweren Herzens und, wie ich hoffe, zum Segen unserer bayerischen Heimat und unseres lieben, teuren deutschen Vaterlandes.«
    Neuer Jubel braust auf, als Hitler von Kahr die Hand schüttelt und erklärt: »Ich will jetzt erfüllen, was ich mir heute vor fünf Jahren als blinder Krüppel im Lazarett gelobte: nicht zu ruhen und zu rasten, bis die Novemberverbrecher zu Boden geworfen sind, bis auf den Trümmern des heutigen jammervollen Deutschlands wieder auferstanden sein wird ein Deutschland der Macht und der Größe, der Freiheit und der Herrlichkeit.«
    »Entblößten Hauptes und in sichtlicher Erregung, überwältigt von dem geschichtlichen Augenblick, singen die Tausende der Versammlung das Deutschlandlied« – so meldet anderntags die »Bayerische Staatszeitung.«
    In diesem entscheidenden Augenblick wird Hitler aus dem Saale abgerufen. Das Wehrkreiskommando ist zwar unter Führung Röhms besetzt, aber andere entscheidende Punkte des Putschprogramms erweisen sich als nicht durchführbar. Hitler versucht, selbst einzugreifen. Vergeblich.
    Als Hitler in den Bürgerbräukeller zurückkehrt, findet er Ludendorff allein, das Triumvirat hat sich empfohlen, niemand weiß recht, was geschehen soll.
    Kahr verlegt den Sitz der Regierung nach Regensburg. Einige Stunden später geht eine amtliche Mitteilung, gezeichnet von Kahr, Lossow und Seißer an alle deutschen Funkstationen: »… lehnen Hitlerputsch ab. Mit Waffengewalt erpreßte Stellungnahme in Bürgerbräuversammlung ungültig. Vorsicht gegen Mißbrauch obiger Namen geboten.«
    Am 9. November gegen fünf Uhr morgens teilt Oberst Leupold General Ludendorff und Hitler persönlich mit: »Kahr, Lossow und Seißer halten sich an ihre Zusage im Bürgerbräukeller für nicht gebunden, weil sie unter Zwang abgegeben war. Die 7. Division steht nicht hinter der Hitlerunternehmung und wird nötigenfalls mit Gewalt die Ordnung wiederherstellen. Hierzu sind auch Truppen herangezogen worden. Die Weisung ist im Auszug zwischen zwölf und ein Uhr nachts telefonisch an die Infanterieschule gekommen und von General von Lossow persönlich bestätigt worden.«
    In der Stadt werden um die Mittagszeit Plakate angeschlagen mit einem Aufruf, vom 9. November 1923 datiert und von Kahr gezeichnet: »Trug und Wortbruch ehrgeiziger Gesellen haben aus einer Kundgebung für Deutschlands nationales Wiedererwachen eine Szene widerwärtiger Vergewaltigung gemacht. Die mir, dem General von Lossow und dem Obersten von Seißer mit vorgehaltener Pistole abgepreßten Erklärungen sind null und nichtig. Ein Gelingen des sinn- und ziellosen Umsturzversuchs hätte Deutschland samt Bayern in den Abgrund gestoßen. An der Treue und dem Pflichtbewußtsein der Reichswehr und der Landespolizei ist der Verrat gescheitert. Auf diese Getreuen gestützt, ruht die vollziehende Gewalt fest in meiner Hand. Die Schuldigen werden rücksichtslos der verdienten Strafe zugeführt. Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, die Bünde Oberland und Reichskriegsflagge sind aufgelöst. Unbeirrt aber durch Unverstand und Tücke, werde ich mein deutsches Ziel verfolgen: Unserem Vaterlande die innere Freiheit zu erringen.«
    Hitler muß erkennen, daß die Mündungen der Gewehre auf ihn und seine Männer gerichtet sind und daß es nur einen Weg gibt: den Rückzug. Aber Ludendorff will davon nichts wissen. Er kommandiert: »Wir marschieren!« Nach diesem Befehl treten die 3000 Männer des

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