Die Deutschen
erhalten 8 Millionen Stimmen und werden damit zur stärksten Partei im preußischen Landtag. Damit verliert die bisherige Koalition zwischen Sozialdemokraten und Mittelparteien ihre Vorrangstellung. Ohne die Mitarbeit der Nationalsozialisten ist eine Regierungsbildung in Preußen unmöglich. Doch was Hitler erhofft hat, ist nicht in Erfüllung gegangen: die absolute Mehrheit oder eine Mehrheit, die ihnen mit Hilfe der Deutschnationalen eine Übernahme der Regierung in Preußen erlaubt, haben die Nationalsozialisten nicht erhalten.
Indessen läßt General Kurt von Schleicher, der Staatssekretär im Reichswehrministerium, den Parteiführer Hitler wissen, daß er mit dem Verbot von sa und ss nicht einverstanden sei; er veranlaßt den Reichspräsidenten von Hindenburg zu einem gereizten Schreiben an den Innenminister, in dem die Tätigkeit des »Reichsbanners«, der Kampforganisation der Sozialdemokraten, beanstandet und darauf hingewiesen wird, daß das Verbot der sa demnach eine einseitige Maßnahme sei. Aber dieser Schlag zielt weniger auf den Innenminister und früheren kaiserlichen Offizier Groener, als auf den Reichskanzler Brüning von der Zentrumspartei, der einem Paktieren der Reichswehr und der Rechtsparteien mit den Nationalsozialisten im Wege steht.
Eine groß angelegte Intrige führt den Sturz Brünings herbei. Die Großagrarier sind erbittert über den Plan des Reichskanzlers, die bankrotten Güter im Osten für Siedlungszwecke aufzuteilen. Als der Reichspräsident das Pfingstfest auf seinem Gut Neudeck verbringt, benutzen sie die Gelegenheit, Brüning als Förderer des »Agrarbolschewismus« anzuprangern. Als nach der Rückkehr Hindenburgs Schleicher ihm erklärt, daß die Armee dem Kanzler nicht mehr länger ihr Vertrauen schenken könne, ist das Schicksal Brünings besiegelt. Schleicher präsentiert auch gleich den Nachfolger im Reichskanzleramt, den konservativen Herrn von Papen. Am 28. April findet zwischen Schleicher und Hitler eine persönliche Unterredung statt, die am 8. Mai wiederholt wird. Schleicher bietet Hitler an: Sturz des Kabinetts Brüning, Aufhebung des Verbots von sa und ss und neue Reichstagswahlen. Hitler soll dafür das von Papen zu bildende Präsidialkabinett tolerieren. Hitler verspricht es. Brüning legt am 30. Mai 1932 sein Amt nieder. Der neue Reichskanzler, Franz von Papen, löst am 4. Juni den Reichstag auf und schreibt neue Wahlen für den 31. Juli aus. Getreu dem Versprechen Schleichers wird das sa- und ss-Verbot aufgehoben.
Am 24. Mai tritt der neugewählte preußische Landtag zu seiner ersten Sitzung zusammen. Die Regierungsbildung ist praktisch unmöglich, da keine politische Partei sich auf eine parlamentarische Mehrheit stützen kann, der Regierungschef aber die absolute Mehrheit auf sich vereinigen muß. Der sozialdemokratische Ministerpräsident Braun übergibt seine Geschäfte dem Zentrumsminister Hirtsiefer, und dieser veranlaßt die zurückgetretene Regierung, weiter im Amt zu bleiben. Solche Kabinette amtieren auch in Bayern, Sachsen, Württemberg, Hessen und Hamburg. Grund genug für die Nationalsozialisten, wieder einmal zu propagieren, daß der Parlamentarismus sich überlebt habe und nur ein starker Mann die Lage meistern könne.
Über die Folgen der Aufhebung des sa- Verbotes legt der Berliner Polizeipräsident folgende Statistik vor: Zwischen dem 1. und dem 20. Juni 1932 gab es in Preußen 461 politische Zusammenstöße, bei denen 82 Menschen getötet und 400 schwer verletzt wurden. Allein am Sonntag, dem 10. Juli, fanden 18 Personen in Straßenkämpfen den Tod. Am Sonntag darauf ereignet sich der bisher schlimmste Zusammenstoß, als Nationalsozialisten in Altona, von der Polizei eskortiert, durch die Arbeiterviertel marschieren. Sie werden von Dächern und aus Fenstern beschossen und erwidern sofort das Feuer. Die Polizei meldet 19 Tote und 285 Verletzte.
Reichskanzler von Papen legt dem Reichspräsidenten zwei Notverordnungen zur Unterschrift vor. Die erste hat zum Inhalt die »Reichsexekution gegen Preußen«, die zweite die »Verhängung des Ausnahmezustandes für Groß-Berlin und Brandenburg«. Für den Fall von Unruhen wird der Reichswehr unter Generalleutnant Rundstedt die vollziehende Gewalt übertragen. Als der Reichspräsident zögert zu unterschreiben, argumentiert Papen, die preußische Regierung sei offensichtlich nicht mehr in der Lage, Ruhe und Ordnung zu garantieren.
Papen flüstert dem Reichspräsidenten noch zu, daß bereits
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