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Die Deutschen

Die Deutschen

Titel: Die Deutschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Artur Müller
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zusammengebracht; Matthys bezeichnete sieben Diakonen, welche dieselbe den Gläubigen, einem jeden nach seinem Bedürfnis, nach und nach verteilen sollten …
    Vor allem wollte die Sekte, so wie sie zur Herrschaft gekommen, durch den Sieg in ihrer natürlichen Beschränktheit verhärtet, nicht allein nichts um sich dulden, was ihr widersprochen hätte, sondern auch nichts, was ihr nur nicht selber eigen angehörte. Alle Bildwerke am Dom und auf dem Markte wurden zertrümmert … Eine herrliche Sammlung alter Drucke und Handschriften (aus Italien) wurde jetzt feierlich auf dem Markte verbrannt. Selbst musikalische Instrumente zu vertilgen hielt man für nötig. Es sollte nichts übrigbleiben als höchstens die Bibel, unterworfen der Auslegung des Propheten.
    Unter den Wiedergetauften selbst aber sollte nun alles gemein sein. Die Maßregel, die man in Hinsicht auf die Güter der Vertriebenen getroffen, ward gar bald auch auf die Habe der Gläubigen erstreckt. Bei Strafe des Todes wurden sie angehalten, ihr Gold und Silber, Schmuck und Barschaften, die sie besaßen, zum allgemeinen Gebrauch auf die Kanzlei zu liefern … Der Begriff des Eigentums hörte auf; aber gleichwohl sollte ein jeder sein Geschäft treiben … Von allen Geschäften das vornehmste war, wie sich versteht, die Verteidigung … Es war alles eine einzige religiöskriegerische Familie. Für Speise und Trank ward auf gemeinschaftliche Kosten gesorgt … Es liegt am Tage, daß ein so höchst eigentümliches Gemeinwesen nicht mit den Formen einer Stadtverwaltung, selbst nicht einer solchen, bei der Bürgermeister und Ratsherren Erleuchtete waren, bestehen konnte. Der Prophet Jan Matthys gelangte auch sehr bald in Besitz einer höchsten Autorität … Aber schon gegen Ostern 1534 kam Matthys um. Bei einem Ausfall, wo er voran war – denn sein Fanatismus war wenigstens nicht feig –, wurde er getötet.«
    Sein Nachfolger wird Jan Bockelson, ein Schneider aus Leiden, der mit Matthys nach Münster gekommen war.
    Ranke berichtet weiter: »Nachdem er einige Tage geschwiegen, weil Gott ihm den Mund verschlossen habe, erklärte er endlich, daß man in dem neuen Israel zwölf Älteste haben müsse, wie in dem alten, die er sogleich bezeichnete … Jedermann fügte sich und nahm sie an. Sechs von ihnen sollten immer früh und nachmittags zu Gericht sitzen; was sie sprechen würden, das sollte der Prophet Jan Bockelson der ganzen israelitischen Gemeinde ankündigen; Knipperdolling sollte ihre Sprüche mit dem Schwerte vollziehen.«
    Jan Bockelson erklärt auch, daß es einem Manne so gut wie in den Zeiten des alten Bundes erlaubt sein müsse, mehrere Frauen zu nehmen. (Der Frauenüberschuß war zu jener Zeit in Münster enorm.) Ranke: »Ein früherer Oldermann, Mollenhök, und Knipperdolling gerieten auf offener Straße darüber in Wortwechsel; der erste sagte laut, was man da vornehme, Vielweiberei und Gütergemeinschaft, sei unrecht; der andere bestand darauf, daß es recht sei; Mollenhök wendete seine Augen gen Himmel und rief Gott zum Schiedsrichter an. Eine ansehnliche Partei in der Stadt scharte sich um ihn, welche die Abschaffung der Ältesten und ihres Regimentes, der Vielweiberei und der Gütergemeinschaft forderte; alles sollte wieder werden wie früher, oder sie wollten die Stadt aufgeben. Eines Tages gelang es ihr, den Propheten selbst, Knipperdolling und die vornehmsten Prädikanten in ihre Gewalt zu bringen … Aber unter den Bürgern gab es auch eifrige Anhänger der neuen Ordnung; ein anderer früherer Oldermann, Redecker, und ein früherer Bürgermeister, Tilebecke, die sich zu den echten Wiedertäufern hielten, riefen die bewaffnete Macht derselben zusammen. Auf der Stelle sahen die Mollenhökchen, daß sie die Schwächeren waren; sie zogen sich nach dem Rathaus zurück.«
    Schließlich müssen sie sich ergeben. Sechsundsechzig von ihnen werden an Bäume gebunden. »Wer den ersten Schuß tut« – ruft Bockelson aus –, »erweist Gott einen Dienst damit.« Der andere Teil wird enthauptet. Ranke fährt in seinem Bericht fort: »Dusentschuer, ein Goldschmied, verkündigte eines Tages, Gott habe ihm offenbart, Johann von Leiden solle König sein. Dieser selbst schrie auf, daß auch ihm eine solche Offenbarung zuteil geworden sei, und daß er Gott um Vernunft und Weisheit bitte, das Volk zu regieren … Als das Volk seine neue Würde gebilligt hatte erklärte er, nicht allein könne er in dem Allerheiligsten verharren; die Gemeinde möge Gott mit

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