Die Deutschen
ihm bitten um ein gutes Hausgesinde.«
Da liest der Reformator und Wiedertäufer Rottmann von einem Zettel die Namen vor, die durch Gottes Eingebung zu höheren Würden bestimmt sind. Knipperdolling wird Statthalter, Tilebecke Haushofmeister, und die namhaftesten Fanatiker bilden den Rat des Königs. Man beginnt unverzüglich, die »Gemeinschaft der Heiligen« herzustellen, auf die sich die kommunistische Gemeinschaft gründet. Rottmann erklärt: »Wir haben unsere Güter unter der Hand der Diakonen gemein gemacht; bei uns ist in Kraft der Gemeinschaft alles gefallen, was der Eigensucht und dem Eigentum dient: kaufen und verkaufen, arbeiten um Geld, Rente und Wucher, Mißbrauch der Arbeit des Nächsten zum eigenen Genuß; wir wissen, mit solchem Opfer behagt man dem Herrn, und würden lieber den Tod leiden, als zu dem Alten zurückzukehren.«
Die Einwendung, daß Christi Reich nicht von dieser Welt sei, berichtet Ranke weiter, »wußten die Wiedertäufer auf ihre Weise zu beseitigen. Sie unterschieden ein geistliches Reich, das in die Zeit des Leidens gehöre, und ein leibliches Reich der Glorie und Herrlichkeit, welches Christus mit den Seinen in dieser Welt haben solle, tausend Jahre lang. Sie waren überzeugt, daß ihr Reich in Münster bis zum Ausbruch dieses tausendjährigen Reiches dauern und es indes im Bilde darstellen solle.«
Johann von Leiden, der »gerechte König in dem neuen Tempel«, glaubt unerschütterlich, daß die Zukunft der Welt auf ihm beruhe. Er sitzt auf dem »Stuhle Davids«. Um den Hals trägt er eine goldene Kette und als Zeichen der Herrschaft daran eine goldene Weltkugel, durch die ein goldenes und ein silbernes Schwert geht. Über den Handgriffen erhebt sich das Kreuz. Das gleiche Zeichen tragen seine Diener auf grünem Ärmel.
Dreimal in der Woche erscheint er auf dem Markte mit Krone und Kette, sitzt auf seinem Thron und hält Gericht. Wenn er durch die Stadt reitet, schreiten zwei Knaben neben ihm, einer mit dem Alten Testament, der andere mit dem bloßen Schwert. Und alle, die ihm begegnen, fallen auf die Knie. Wenn die Gemeinde das Abendmahl feiert, sitzen Frauen und Männer – man zählt über 4000 – an langen Tischen, und der König reicht ihnen das Brot, und seine Frau gibt ihnen den Wein. Die Mächte im Reich schauen nicht eben freundlich nach Münster. Trotzdem dauert es lange, bis sie sich zusammenfinden, um dem »wider alle Gesetze verstoßenden Wesen« der Wiedertäufer in Münster ein Ende zu machen.
Ranke: »Am 30. August 1534 wagten es die versammelten Truppen, die Stadt zu stürmen. Allein hier war man auf das beste vorbereitet … die Einwohner hatten eine Schlagfertigkeit bewiesen, welche den Landsknechten den Mut zu einer Wiederholung ihres Anfalles benahm. Der Fürst und seine beiden Verbündeten mußten sich begnügen, die Stadt mit Blockhäusern zu umgeben … Keinen Augenblick ließ Johann von Leiden seine weltumfassenden Pläne fallen, und obgleich umlagert, war er doch nicht ganz ohne Aussicht. Wir erinnern uns, welche allgemeine Gärung die unteren Volksklassen, namentlich die Handwerker, in den deutschen Städten ergriffen hatte und wie das wiedertäuferische Treiben gerade in jenem Stande gewaltig Wurzel schlug.«
Von der Schweiz bis nach Preußen, von Münster bis nach Schlesien ziehen die Apostel, gründen Gemeinden, finden Anhänger, und Wiedertäuferkönige sammeln die nach neuer Gemeinsamkeit strebenden Massen. Seine ganze Hoffnung setzte Johann von Leiden auf seine Landsleute aus Holland. Er prophezeit, daß sie hunderttausend Mann stark kommen werden, Münster zu entsetzen und gemeinsame Sache mit ihnen zu machen. Und tatsächlich sind Ostern 1535 die Wiedertäufer Hollands und ihre Anhänger in wildem Aufruhr und mächtiger Bewegung. Aber die kriegsgewohnten Landsknechthaufen sind schließlich stärker als aller glühender Glaube. Am Ende bleiben die Wiedertäufer von Münster allein.
Die Blockhäuser der Belagerten werden durch Schanzen miteinander verbunden, und so gelingt es, die Stadt von der Außenwelt abzuriegeln und sie planmäßig auszuhungern. Bald regiert der Hunger, und es wird immer schwerer, die Gütergemeinschaft aufrechtzuerhalten. Noch glaubt das Gros der Eingeschlossenen fest daran, daß das Reich am Ende »den Heiligen des Allerhöchsten« übergeben werde. Sie sind bereit, für ihre Idee zu sterben, die Stadt an allen vier Ecken anzuzünden und sich den feindlichen Geschützen entgegenzuwerfen. Aber Verrat verhindert
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