Die Deutschen
seinem Hause auf.« So berichtet Ranke und fährt fort: »Die Fremdlinge nun, in ihrer abgesonderten Haltung, in der sie aber die tiefste innere Gemeinschaft unter sich selbst kundgaben, wie sie einander erkannten und begrüßten, überhaupt in ihrem verwegenen Wesen, machten in Münster einen großen Eindruck … Es ist sehr begreiflich, daß Frauen, zuerst Klosterfrauen, von Lehren fortgerissen wurden, die ein heiligsinnliches Leben in naher Zukunft erwarten ließen … Dann schlichen auch bürgerliche Frauen in die Versammlungen der Täufer und brachten wohl als das erste Pfand ihrer Ergebenheit dem Propheten ihr Geschmeide mit. Anfangs waren die Männer entrüstet; später wurden sie selbst nachgezogen.«
Der Einflußreichste unter den Fremden ist Jan Matthys. Er verkündet, daß man die widerstrebende Obrigkeit mit dem Schwert bekämpfen dürfe, denn »die Wahrheit gehe jeder anderen Rücksicht vor«.
Ranke berichtet über den Fortgang der Bewegung: »Am 8. Februar kam es in der Stadt zu einem Auflauf, in welchem die Wiedertäufer den Marktplatz einnahmen, sei es nun, daß eine wirkliche oder eine eingebildete Gefahr sie dazu veranlaßte, der Rat und die Nichtwiedergetauften dagegen Mauern und Tore besetzten. Es zeigte sich wohl, daß die letzteren das Übergewicht der Anzahl und der Macht besaßen … Schon waren die Häuser der Nichtwiedergetauften mit Strohkränzen bezeichnet, um sie bei der bevorstehenden Plünderung schonen zu können. In den Wiedergetauften auf dem Marktplatz dagegen brachten Enthusiasmus und Befürchtung, Mut und Gefahr eine exaltierte Stimmung hervor, in der sie wunderbare Erscheinungen zu erblicken vermeinten. Feurige Wolken, die sich um die Stadt und über dieselbe erhoben, gleich als stehe Dom und Stadt im Feuer; einen Mann mit goldener Krone, das Schwert in der einen, eine Rute in der anderen Hand; eine andere Mannesgestalt, die Faust voll herauströpfelnden Blutes, den Reiter mit dem Schwerte auf weißem Rosse aus der Apokalypse. Sollte man nun aber so abenteuerliche Schwärmer mit Kanonen angreifen? … Auch in einigen Mitgliedern des Rates regte sich Mitleiden, wenn nicht geheime Übereinstimmung. Man bedachte doch, daß man auch Widerstand finden, daß vielleicht in dem allgemeinen Getümmel der Bischof sich zum Herrn der Stadt machen könne. Genug, statt zum Angriff zu schreiten, knüpfte man Unterhandlungen an. Bevollmächtigte wurden ernannt, Geiseln gegenseitig gegeben; endlich setzte man fest, daß ein jeder Glaubensfreiheit genießen, jedoch Frieden halten und in weltlichen Dingen der Obrigkeit Gehorsam leisten solle. Die Wiedergetauften hielten ihre Errettung nicht mit Unrecht für einen Sieg … Und in Wahrheit war dies die Stunde, von welcher an sie Tag für Tag bis zur entschiedenen Übermacht fortschritten. Sie waren jetzt in Münster zum ersten Male in der Welt zu einem gesetzlich anerkannten Dasein gelangt. Von allen Seiten strömten die Gleichgesinnten daselbst zusammen, Männer ohne ihre Frauen, Frauen ohne ihre Männer, auch ganze Familien … Bei dem Anblick verließen die reichen Bürger die Stadt, um ihre Barschaft zu retten; aber dadurch ward der Umschwung in derselben nur um so rascher. Als es am 21. Februar zu einer neuen Ratswahl kam, gewannen die Wiedertäufer die Oberhand. Schon die Wahlherren wurden nicht mehr nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist gewählt; es waren lauter erleuchtete Handwerker; sie besetzten, wie sich versteht, alle öffentlichen Stellen mit ihren Glaubensgenossen. Knipperdolling ward zum Bürgermeister gewählt. Die ganze städtische Gewalt ging über in die Hände der Wiedertäufer … Am 27. Februar wurde eine große Versammlung bewaffneter Wiedertäufer auf dem Rathause gehalten. Eine Zeitlang brachten sie im Gebet zu; der Prophet schien wie in Schlaf verfallen; plötzlich aber fuhr er auf und erklärte, man müsse die Ungläubigen, sofern sie sich nicht bekehrten, sofort verjagen, das sei der Wille Gottes … Es war ein stürmischer Tag des späten Winters. Der Schnee, der noch sehr hoch lag, fing an zu schmelzen; ein heftiger Wind jagte Regen und Schnee durch die Atmosphäre. Die Häuser wurden mit Gewalt eröffnet und alle von ihrem Herde verjagt, die ihre Taufe nicht verleugnen wollten … So wurden die Wiedertäufer nicht allein die Herren in der Stadt, sondern auch ihre alleinigen Inhaber … Die verschiedenen Landsmannschaften nahmen die geistlichen Gebäude ein. Die fahrende Habe der Vertriebenen ward auf die Kanzlei
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