Die Deutschen
Mitglieder der liberalen Ständepartei eine Adresse vor, welche die Einberufung der Abgeordneten aller Provinziallandtage, die Mitteilung des Staatshaushaltes an diese und die Aufhebung der Zensur erbittet. Zur Unterstützung dieser ständischen Adresse soll eine Petition dienen, die der ganzen gebildeten Bürgerschaft von Wien zur Unterschrift vorgelegt wird. Sie fordert freie Presse, öffentliche Rechtspflege, die Reform des Gemeindewesens, hauptsächlich aber eine österreichische Gesamtverfassung: »Die periodische Berufung eines alle Länder der Monarchie, sowie alle Klassen und Interessen der Völker vertretenden Körpers mit dem Rechte der Steuerbewilligung und der Kontrolle des Finanzhaushaltes, sowie der Teilnahme an der Gesetzgebung.« Nach Eingang dieser Petition bestürmen zahlreiche Mitglieder des kaiserlichen Familienrates und viele Adlige, selbst die Fürstin Metternich, die Staatskonferenz und den Staatskanzler, nachzugeben. Das Äußerste aber, was die Staatskonferenz den Kaiser bewilligen läßt, sind die fast komisch dürftigen Zusagen: der Kaiser habe beschlossen, »aus allen Provinzen ständische Mitglieder nach Wien zu berufen und sie mit einem Regierungskomitee in Berührung zu bringen, damit sie mit demselben in Ansehung ihrer ständischen Verhältnisse in Rücksprache träten«. Auch habe der Kaiser »sich vorbehalten, dieser Deputation jene Maßregeln andeuten zu lassen, welche die Bedürfnisse des Augenblicks erfordern«. Ehe das Kabinettsschreiben verkündet werden kann, ist ein neues, mächtig vorwärtsdrängendes Element zu der Wiener Bewegung hinzugestoßen: die Studentenschaft.
Seit den Tagen Karl Ludwig Sands und Karl Follens hielt Metternich und mit ihm seine Staatskonferenz die Studenten für die gefährlichsten Demagogen der Welt, und entsprechend wird die Wiener Studentenschaft behandelt. Die Folge ist, daß die studentischen Vereine im geheimen bestehen. Daher fühlen sie sich jetzt, angesichts der Furcht und Schwäche der Regierung, berufen, ihrerseits einzugreifen, zunächst in Gestalt einer Studentenadresse an den Kaiser. Gefordert werden: Presse-, Rede-, Lehr-, Lern- und Glaubensfreiheit, allgemeine Volksvertretung und eine unklar umschriebene deutsche Bundesreform. Zwei Professoren überreichen dem Kaiser die Adresse; bis zum Abend versuchen sie vergeblich, eine Audienz zu erwirken. Endlich läßt sie der Kaiser durch eine Hintertür eintreten, verhält sich leutselig und gibt keine Antwort.
Für den kommenden Tag, den 13. März, sind die nieder-österreichischen Stände zusammenberufen. Da diese Versammlung die Adresse der Liberalen Ständepartei berät, drängt sich die Wiener Bevölkerung vor das Ständehaus, vor allem Studenten. Bald sind Tausende vor dem Ständehaus versammelt; sie füllen auch den Hof. Als ein Redner mahnt, sich mit den Machthabern in unmittelbare Verbindung zu setzen und dadurch »die bisher im Landhause gesprochenen Monologe in Dialoge zu verwandeln«, drängen Menschenmassen in das Treppenhaus, in den Flur und die Vorsäle der Ständeversammlung. Sechs Bürger und sechs Studenten werden als Zuhörer im Ständesaal zugelassen. Unter den Massen vor dem Landhaus taucht das Gerücht auf, die zwölf Vertreter würden im Ständesaal gefangengehalten und das Ständehaus werde von Truppen umzingelt. Plötzlich gibt es kein Halten mehr. Die Massen stürmen hinauf in den Ständesaal, zerstörend und verwüstend. Die bedrohten Mitglieder des Landtages versprechen, persönlich vom Kaiser die Erfüllung der Volkswünsche zu erbitten.
Schon seit Stunden ist die Staatskonferenz versammelt, während der Kaiser unsichtbar bleibt. Aber ohne die Majestät kann die Staatskonferenz keine gesetzlich verbindlichen Beschlüsse fassen. So gibt sie also den andrängenden Volksmassen nur die Vertröstung: »… das den Zeitverhältnissen Entsprechende wird durch ein eigenes hiezu aufgestelltes Komitee geprüft und der Allerhöchsten Entscheidung unterzogen werden, worüber Allerhöchstdieselben das zum allgemeinen Wohle der Gesamtheit Ihrer Untertanen Dienliche mit Beschleunigung beschließen werden.«
Nach dem Abzug der Stände in die kaiserliche Burg bleiben trotzdem noch große Volksmengen vor dem Landhause, wie auch vor der Staatskanzlei auf dem Ballhausplatz. Jugendliche Redner erhitzen die Gemüter mit den ständigen Rufen »Pereat Metternich!«
Schließlich rückt Militär gegen die dicht zusammengekeilte Menge. Zorn- und Schmerzensschreie der Bedrängten werden
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