Die Diagnose: Thriller (German Edition)
falls ich noch Blut übrig habe. Sie zapfen mir andauernd welches ab. Ein Haufen Vampire, wie’s aussieht.«
»Sie müssen eine Reihe von Blutuntersuchungen machen, um die Herzenzyme zu bestimmen. Die zeigen an, ob der Herzmuskel geschädigt ist.« Ich merkte, dass ich mir Mühe gab, meine medizinische Expertise zu beweisen, doch er wirkte unbeeindruckt.
»Sie scheinen zu wissen, was sie tun. Ich mag meine Ärztin. Ich muss sagen. Sie kennt sich aus auf ihrem Gebiet, hat mir einen ganz schönen Schrecken eingejagt von wegen Sport und was ich essen darf. Sehr fähig. Erinnert mich an deine Rebecca.«
»Du solltest auf sie hören«, meinte ich und ging nicht darauf ein, dass er Rebecca erwähnt hatte. Er und Jane schienen sie als eine Art Retterin anzusehen, aber was ging es sie überhaupt an? Ich hatte gedacht, meine Mutter wäre eine gute Frau, doch mein Vater war da anderer Meinung gewesen. »Es ist gerade noch einmal gut gegangen. Ich hab mir Sorgen um dich gemacht, Dad.«
Er sah mich an, als wüsste er mit meiner Gefühlsäußerung nicht so recht etwas anzufangen, so sehr war er es gewohnt, dass wir Vertrautheit um jeden Preis vermieden. Er räusperte sich. »Ende gut, alles gut, was? Du warst schnell hier.«
»Ich hatte Glück mit dem Flug«, sagte ich und wich seinem Blick aus. »Wo ist Jane?«
»Sie war heute Morgen hier, und dann hat sie Lizzie zur Schule gebracht. Normalerweise fährt sie mit dem Bus. So sind die Mädels heute.«
Lizzie war meine Stiefschwester, sie war sechzehn Jahre alt, und als ich bei meinem letzten Besuch mit ihr zu Madame Tussauds gegangen war, hatte sie eine beeindruckende Reihe von C-Promis erkannt.
»Sie werden schnell groß, was?«, meinte ich.
»Das kannst du laut sagen.«
Da die unmittelbare Krise überstanden war, fielen wir wieder in die alte Gewohnheit, uns zu unterhalten wie Fremde im Pub. Fast fühlte ich mich ein wenig übertölpelt, dass ich so schnell hergeflogen war, wo er doch eindeutig gut ohne mich zurechtkam. Ein vertrautes Gefühl: Wie einfältig von mir, dass mir etwas an ihm lag.
Lügen ist leicht, und es ist einfach, den Menschen, den man am meisten liebt, zu betrügen. Das fand ich heraus, als ich zwölf Jahre alt war, und der Mann, der es mich gelehrt hat, war Roger Cowper.
Wenn meine Rechnung stimmt, dann hat er die Affäre mit Jane angefangen, als ich elf war. Vielleicht auf meiner Geburtstagsparty, zu der sie eines Nachmittags kam, um ein paar Akten aus dem Büro vorbeizubringen. In unserem Garten war ein Clown, und meine Mutter machte Jane einen Tee. Dann kamen sie heraus und standen zusammen an der Küchentür, wo sie den Blick durch den Garten schweifen ließen und über die Possen des Clowns lachten und einander anlächelten.
Ein paar Monate später kam ich wegen einer Erkältung, die im Laufe des Tages schlimmer geworden war, früher von der Schule nach Hause. Es war ein windiger Herbsttag, und die Rosskastanien hatten halb geöffnete stachelige grüne Kugeln aufs Pflaster geworfen, ein ganzes Feld von Kastanien, die darauf warteten, von den Kindern auf dem Heimweg aufgelesen zu werden. An diesem Nachmittag war ich allein, lief zwischen den Bäumen herum und stapfte auf die stachligen Kugeln, um die glänzenden braunen Samen herauszulösen.
Als ich nach Hause kam und die Haustür mit dem Schlüssel öffnete, den meine Eltern mir gegeben hatten, schlug ich die Tür hinter mir zu und ging in die Küche, um zu schauen, ob ich ein Stück Kuchen fand. Als ich damit ins Wohnzimmer kam, hörte ich auf dem Treppenabsatz etwas, und dann kam mein Vater herunter und dahinter noch jemand. Ich weiß noch, dass Janes Gesicht gerötet war, doch ich war zu jung, um zu begreifen, worüber ich gestolpert war.
Es war komisch, meinen Vater um diese Tageszeit zu Hause anzutreffen. Er erklärte mir, er habe einen Fall im Westen von London gehabt. Ich weiß noch gut, dass Jane irgendwie seltsam war und nicht wusste, wie man mit einem Kind redet, so wie die meisten Erwachsenen, die ich kannte − meine Eltern und die Eltern meiner Freunde −, eben mit Kindern redeten. Sie strahlte etwas Befremdliches aus, etwas, was ich erst im Nachhinein als etwas Sexuelles erkenne.
Wir gingen in die Küche. Mein Vater war ungewohnt fröhlich, er schnitt mir noch ein Stück Kuchen ab und fragte mich, wie es in der Schule gewesen sei, während Jane kaum ein Wort sagte. Nach einer Weile stand sie auf und sagte, sie müsse zurück ins Büro, und mein Vater brachte sie zur Tür.
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