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Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Die Diagnose: Thriller (German Edition)

Titel: Die Diagnose: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Gapper
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»Warum? Das ist alles, worüber mein Therapeut reden wollte: mein Exfreund. Er und meine Kindheit und ob ich eine Vaterfigur gesucht habe. Wenn dem so gewesen wäre, wäre Nathan eine schreckliche Wahl gewesen.«
    »Dann waren Sie in Therapie?«
    »Ich gebe es zu.«
    »Und Sie hatten einen Freund?«
    Sie lachte und warf mir einen amüsierten Blick zu, der mir guttat, doch dann hörte sie auf zu reden, als wir unter Brücken durchfuhren, an denen zum Gedenken an Soldaten, die im Irak gefallen waren, zerfetzte amerikanische Flaggen hingen. Als sie wieder das Wort ergriff, war sie ruhiger.
    »Mein Therapeut meinte, er litte unter einer Borderlinestörung. Er hat sich mich geangelt, und dann hat er mich dafür leiden lassen, dass ich ihn liebte. Ich hätte endlos darüber reden können, aber am Ende musste ich aufhören. Ihr nehmt verdammt viel für eine Dreiviertelstunde Plauderei. Aber wissen Sie, was der wahre Grund ist, warum ich es beendet habe? Eines Tages hörte ich mir beim Reden zu und dachte: Ich könnte mir das alles auch ausdenken .«
    »Haben Sie?«
    »Nein, aber ich hätte doch, oder? Er hat mir jede Woche zugehört und alles, was ich sagte, ernst genommen und versucht, eine Bedeutung darin zu finden. Aber woher wollte er denn wissen, dass das, was ich ihm da erzähle, die Wahrheit war? Er dachte, er müsste dafür sorgen, dass es mir besser geht − alles, was ich als Reaktion auf meine Vergangenheit oder so getan hatte, wegerklären. Ich hätte ein schrecklicher Mensch sein können, und er hätte es nicht mal gemerkt.«
    »Sie sind aber kein schlechter Mensch, oder?«
    »Ich weiß nicht. Ehrlichkeit ist mir wichtig. Ich bin im Leben immer in Schwierigkeiten geraten, weil ich die Wahrheit sagen wollte. Die Leute halten mich für ein Miststück. Vielleicht bin ich das ja auch. Egal, ich bin nicht davon ausgegangen, dass er dafür sorgen kann, dass ich ehrlich bleibe, also habe ich aufgehört.«
    Sie lachte betreten, als hätte sie mehr über sich verraten, als sie eigentlich wollte. Die Dämmerung brach herein, und vor uns verschmolzen die Rücklichter zu einem roten Band, während wir an den Kaufhäusern und Wohnblocks von Queens vorbeikamen. Die Fahrzeuge um uns herum passten sich nach und nach dem New Yorker Fahrstil an und wechselten häufiger zwischen den Spuren hin und her, worüber Anna leise fluchte. Wir fuhren in den Midtown-Tunnel und tauchten auf der anderen Seite im Straßengewirr der Innenstadt wieder auf. Ich hatte diese rasche Grenzüberschreitung schon sicher ein Dutzend Mal gemacht, doch sie überraschte mich immer wieder. Trotz meines halbherzigen Protests fuhr sie die Lexington Avenue runter und umschiffte den Gramercy Park, um mich vor dem Haus, in dem meine Wohnung lag, am Irving Place abzusetzen.
    »Tschüs«, sagte ich und hielt ihr die Hand hin, als der Range Rover mit laufendem Motor am Bordstein hielt.
    Sie nahm sie und schüttelte sie ein wenig spöttisch, als wäre ich übertrieben formell. Dann holte sie einen Zettel raus, schrieb eine Nummer auf und reichte ihn mir.
    »Rufen Sie mich an, wenn Sie mögen. Ich bin manchmal in der Stadt.«
    Ich hatte das Bedürfnis, vor mir selbst zu rechtfertigen, dass ich sie um eine Verabredung bat, aber ich widerstand der Versuchung. Es war keine gute Idee, so verlockend sie auch sein mochte.
    »Ich glaube, das lasse ich besser. Beruf und Vergnügen, Sie wissen schon«, sagte ich verlegen.
    »So«, meinte sie. »Sie finden mich also vergnüglich.«
    Ich lachte unwillkürlich, als ich ausstieg. Schon fädelte sie den Range Rover wieder in den Verkehr ein, und ich stand da und beobachtete, wie sie verschwand.

8
    Am Samstag ging ich auf den Obst-und-Gemüse-Markt auf dem Union Square, und als ich mit Papiertüten bepackt zurückkam, wurde ich im Foyer von Bob Lorenzo aufgehalten, dem Chefportier des Apartmentgebäudes. Bob hatte einen ordentlich gestutzten Bart und Augen wie ein Bluthund und eine Aura von unter Druck geratener innerer Stärke. Wir kamen gut zurecht, obwohl ich es vermied, über die New York Mets oder den Genossenschaftsvorstand zu reden, denn das waren Reizthemen.
    »Dr. Kaufman war hier, Dr. Cowper«, sagte er und hielt mir einen Umschlag hin, auf dem in Rebeccas runder Handschrift »Ben« stand, unterstrichen. »Sie haben sie verpasst. Sie bat mich, Ihnen das hier zu geben.«
    »Danke, Bob«, sagte ich. Ich hatte einmal versucht, ihn zu überreden, mich beim Vornamen zu nennen, doch es hatte nichts genützt. Der Umschlag

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