Die Diagnose: Thriller (German Edition)
stecken.
10
Als ich zwei Tage später Duncans Bitte nachkam, in ihrem Büro zu erscheinen, waren ihre beiden Assistentinnen in der Arbeit vergraben, als hätten sie in dieser Position verharrt, seit ich das letzte Mal hier gewesen war. Das Klappern der Tastaturen wurde nur kurz unterbrochen, als eine von ihnen zischend eine Dose Coke Zero öffnete, während die andere auf einen Stuhl deutete, wo ich warten sollte.
Meine Gefühle gegenüber Duncan, die nie besonders warm gewesen waren, waren seit Greenes Tod weiter abgekühlt. Wenn sie sich nicht eingemischt hätte, wenn sie mich Harry hätte behandeln lassen, hätte ich diese Katastrophe verhindern können. Ich hätte ihn auf York Ost behalten, bis die Medikamente erste Wirkung gezeigt hätten und er nicht mehr so gefährlich gewesen wäre. Er hatte mich bezüglich der Person, die er umzubringen gedachte, an der Nase herumgeführt − ich hatte geglaubt, er habe Selbstmordabsichten, dabei hatte er Greene im Visier gehabt −, aber ich hatte gewusst, dass er gefährlich war und wir ihn in diesem Zustand nicht hätten entlassen sollen. Obwohl ich sauer war, dass er die ganze Sache auf die Medikamente und seinen Zustand geschoben hatte, würde es bei Gericht ins Gewicht fallen. Er war mein Patient gewesen, und ich hatte meine ärztlichen Pflichten vernachlässigt.
Nach zehn Minuten wurde ich aus der Quarantäne erlöst. Duncan spähte um die Tür und winkte mich in ihr Büro.
»Also«, sagte sie und zog eine angespannte Grimasse, als sie so dastand und mich ansah, »eine hübsche Sauerei, was?«
Ihre Miene war eine Mischung aus einem Teil Mitgefühl zu drei Teilen eiserner Entschlossenheit. Wenn irgendjemand im Episcopal am Ende wegen Greenes Tod zu leiden hätte, dann nicht sie.
»Es ist sehr bedauerlich. Ich …«
»Ich habe einen Anruf von der Versicherung bekommen«, unterbrach sie mich und ging zum Fenster. »Sie erwarten natürlich einen Prozess. Damit ist zu rechnen.«
Ich machte mich auf das Schlimmste gefasst. »Wer soll uns verklagen?«
»Die Familie des Opfers. Vielleicht die Shapiros. Schadensersatzansprüche wegen schuldhaft verursachten Todes, Vernachlässigung der ärztlichen Sorgfaltspflicht. Die Möglichkeiten sind endlos.« Sie unterbrach sich kurz. »Das Ganze hat uns alle sehr erschüttert. Nora ist meine Freundin, und ich kann nur ahnen, was sie durchmacht, aber ich muss meine eigenen Gefühle zurückstellen.«
Ich hatte nicht den Eindruck, dass ihr das allzu schwer fiel − sie passten bestimmt bequem in eine kleine Schachtel. Und was ist mit meinen Gefühlen?, dachte ich. Um die schien sie sich keine Gedanken zu machen. Sie kam zurück und setzte sich mir gegenüber auf das Sofa.
»Sie besorgen sich einen Anwalt − unsere Versicherung kommt für die Kosten auf. Sie erwartet keine Zivilklage, bevor nicht die strafrechtliche Seite geklärt ist, aber Sie müssen auf alles gefasst sein. Haben Sie so etwas schon einmal durchgemacht?«
»Nichts dergleichen.«
Zwei Patienten hatten halbherzige Anzeigen wegen ärztlicher Behandlungsfehler gegen mich angestrengt − so etwas war in New York nicht zu vermeiden −, aber sie hatten mich nicht allzu sehr gequält. Die Grundlage für die Vorwürfe war in beiden Fällen schwach, und der Anwalt des Krankenhauses war kaum in Schweiß ausgebrochen, als er sie abgeschmettert hatte. Es waren vor allem juristische Therapien für gequälte Seelen gewesen.
»Eine Frage muss ich Ihnen stellen«, sagte sie. »Hat Mr Shapiro einen Hinweis auf Mordabsichten fallen lassen? Ich bin die Notizen durchgegangen, aber die geben nicht viel her.«
Das hätte eine neutrale Bemerkung sein können, doch aus ihrem Mund klang es wie der Vorwurf ärztlichen Fehlverhaltens.
»Ich habe ihn bei uns aufgenommen, weil ich fürchtete, er könnte eine Gefahr für sich selbst sein«, sagte ich vorsichtig. »Wie Sie wissen, hatte Mrs Shapiro ihn deswegen hierhergebracht. Es gab kein Indiz dafür, dass er eine Gefahr für andere sein könnte.«
»Das ist gut. Es tut mir leid, dass ich das fragen muss, aber es muss klar sein. Über einige Aspekte des Falls fühle ich mich nicht umfassend informiert.« Sie strich eine Fluse von ihrem Rock. »Egal, Sie sollen wissen, dass wir hinter Ihnen stehen. Sie haben unsere volle Unterstützung.«
Die Wendung, die das Gespräch nahm, gefiel mir nicht. Was sollte das heißen, ich sollte auf alles vorbereitet sein und das Krankenhaus stünde hinter mir? Mein Arbeitgeber müsste doch eigentlich
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