Die Diagnosefalle: Wie Gesunde zu Kranken erklärt werden (German Edition)
die Prostata nach Knoten abtastet. Hemmungen sind hier fehl am Platze. Eine frühe Diagnose kann euch das Leben retten.
Derzeit scheinen viele Leute Mitglied in dieser Gruppe zu sein. Aber das ist das Beliebtheitsparadoxon der Vorsorgeuntersuchung: Je mehr Überdiagnosen sie produziert, desto mehr Menschen sind davon überzeugt, dass sie ihr das Leben verdanken, und desto populärer wird sie. Natürlich hören Sie nie Geschichten von Leuten, die Opfer einer Überdiagnose wurden, weil es unmöglich ist, sie zu identifizieren. 8
Zwar wimmelt es in den Medien von überzeugenden Aussagen über die Früherkennung; aber am eindrucksvollsten sind wohl die Beteuerungen Ihres Arztes. Es ist schwierig, einem Arzt zu widersprechen, der mehr Diagnosen empfiehlt. Manche Leute sind zu schüchtern, um nein zu sagen, wenn ihnen ein Test angeboten wird. Sie fürchten vielleicht, den Arzt zu erzürnen; sie wollen nicht als unverantwortlich gelten (oder sich so fühlen); und sie haben womöglich Angst, ihre Entscheidung eines Tages zu bereuen. Die Erfahrung einer meiner Koautorinnen illustriert, was einer Patientin blüht, wenn sie versucht, nein zu sagen. Und denken Sie daran – sie ist selbst Ärztin.
Diese Geschichte handelt von meiner zweiten Schwangerschaft. Aber fangen wir mit meiner ersten an: Meine Tochter Emma wurde sechs Wochen zu früh geboren. Sie hatte sich während der Steißgeburt Quetschungen zugezogen, und ihre Haut war daher wegen eines hohen Bilirubingehalts hellgelb. Ansonsten war sie gesund. Sie brauchte nie Sauerstoff, konnte am zweiten Tag trinken, und ihr Bilirubinwert sank innerhalb weniger Tage. Heute glaube ich, dass Emma bereit war, geboren zu werden. Anscheinend befand sich diese Schwangerschaft einfach am kurzen Ende der »normalen« Schwangerschaftsdauer. Aber damals war ich ziemlich verängstigt. Emma blieb eine Woche in der Intensivstation für Neugeborene, und mein Herz setzte jedes Mal aus, wenn ich eine Alarmklingel hörte.
Zwei Jahre später wurde ich erneut schwanger. Anfangs war ich in Hochstimmung (dann wurde mir natürlich übel). Dann machte ich meinen ersten Besuch bei einer der »führenden« Gynäkologinnen in unserer örtlichen Klinik. Sie war besorgt. Mein erstes Baby war eine Frühgeburt gewesen; deshalb galt ich als Risikopatientin. Sie glaubte nicht an ein »kurzes Ende der normalen Schwangerschaftsdauer«, sondern wollte mich in eine Klinik für Risikoschwangere schicken.
Je öfter sie mich als Risikoschwangere bezeichnete, desto größere Sorgen machte ich mir. Doch trotz meines rasenden Pulses und meiner wachsenden Schweißflecken erinnerte ich mich daran, dass ich eine Wissenschaftlerin bin, die Risiken untersucht. Und ich weiß, dass wir zuerst Daten brauchen, um ein Risiko beurteilen zu können. Also stellte ich einige Fragen. »Was meinen Sie mit hohem Risiko? Hohes Risiko wofür?« Die Antwort lautete: »Hohes Risiko für eine viel zu frühe Geburt.« Doch als ich um ein paar Zahlen bat – vor allem um die Wahrscheinlichkeit einer viel zu frühen Geburt –, konnte die Ärztin mir keine geben. Aber sie war sicher, dass das Risiko sehr hoch war.
Und weil mein Risiko hoch war, brauchte ich eine Risikobehandlung. Obwohl es nicht üblich ist, am Anfang der Schwangerschaft das Becken zu untersuchen, schlug sie diese Untersuchung vor. Danach berichtete sie, der Gebärmutterhals fühle sich etwas weich an (das ist natürlich ein sehr subjektiver Befund, und da die meisten Frauen in diesem Stadium nicht untersucht werden, fragte ich mich, wie viele Gynäkologen genau wissen, wie ein Gebärmutterhals sich zu diesem Zeitpunkt anfühlen sollte ). Ein weicher Gebärmutterhals kann problematisch sein; darum empfahl sie eine vaginale Ultraschalluntersuchung, um die Länge des Gebärmutterhalses zu bestimmen – sie gilt als vorzüglicher Indikator für eine Frühgeburt. Ich unterzog mich der vaginalen Ultraschalluntersuchung, und sie ergab, dass mein Gebärmutterhals eine normale Länge hatte. Dennoch wollte die Gynäkologin mein Becken regelmäßig untersuchen, um kein Anzeichen für eine bevorstehende Frühgeburt zu übersehen.
Steven, mein Mann (ebenfalls Arzt und Koautor dieses Buches), war mir hier eine große Hilfe. Er überzeugte mich davon, dass es besser war, aufzuhören und dies der Gynäkologin zu sagen. Seiner Meinung nach war eine Untersuchung sinnlos, wenn man sie nicht zuverlässig interpretieren konnte. Außerdem fand er, die Untersuchungen machten uns beide
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