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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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richtig hübsch geworden, kluge Nichte«, meinte Emma nun immer häufiger, was Marie deutlich machte, wie sehr sie sich verändert haben musste. Sie trug wieder gern Gewänder in leuchtenden Farben und ließ sich von Hawisa kunstvolle Frisuren flechten, die sie ohne Schleier zur Schau stellte. Jean aß inzwischen regelmäßig an der Tafel im Empfangssaal, wenn auch viel weiter unten. Richard hatte sein Versprechen wahr gemacht und ihm einen höheren Rang unter seinen Männern verliehen. Obwohl niemand merken durfte, wie sie zueinander standen, wollte Marie ihm auch bei diesen Gelegenheiten gefallen. Mitunter bemerkte sie auch aufmerksame Blicke anderer Männer, was ihr durchaus schmeichelte. Doch sie hatte einen Geliebten, der alle in den Schatten stellte.
    Als der Herbst das Laub bunt werden ließ, rief Aliénor Emma und Marie nochmals in ihr Gemach. Marie empfand leise Beunruhigung, doch diese verflog schnell, als sie Raoul de Fayes Gesicht an Aliénors Seite erblickte. Wenn es wieder darum ginge, angemessenes Verhalten von Hofdamen zu besprechen, säße wohl die Gräfin de Champagne an der Seite der Königin.
    »Ich bin zum Weihnachtsfest nach Bures in der Normandie befohlen worden«, verkündete Aliénor nicht ohne Spott. »Mein Gemahl sehnt sich plötzlich nach meiner Gegenwart, damit ich nicht vergesse, wer der wirkliche Herrscher über diese Ländereien sein will.«
    Raoul de Faye kicherte leise.
    »Ich werde dieser Aufforderung folgen, denn Henri scheint
zurzeit großmütig gestimmt«, fuhr Aliénor fort. »Er will sich sogar mit Thomas Becket versöhnen. Der Erzbischof kehrt nach England zurück.«
    Sie nippte an ihrem Weinpokal und forderte ihre Besucherinnen mit einem Wink auf, sich zu setzen.
    »Ich reise gemeinsam mit Richard und meinen Töchtern. Auch Alais und Constance werden mich begleiten. Henry und seine Gemahlin sowie Geoffroy kommen ebenfalls nach Bures, sodass die ganze Familie vereint sein wird.«
    An Maries Seite murrte Emma so leise, dass Aliénor es unmöglich hören konnte. Trotzdem schien die Königin zu ahnen, worüber die Halbschwester ihres Gemahls Unmut empfand.
    »Sonst wurde nach niemandem verlangt, doch könnt ihr mich gern begleiten. Ich werde natürlich Vorkehrungen treffen, damit auch hier in Poitiers ein prächtiges Weihnachtsfest stattfindet.«
    Marie senkte nachdenklich den Blick. Sie konnte nicht offen fragen, ob Jean de Veizis seinem Dienstherrn nach Bures folgen würde.
    »Ich würde Euch gern begleiten, Hoheit«, erklärte Emma, denn sie wollte kein höfisches Fest versäumen. Marie fühlte Aliénors graublaue Augen auf sich ruhen.
    »Werden … werden auch genug Ritter hier in Poitiers bleiben, um … um uns Schutz zu bieten, wenn es zu Überfällen kommen sollte«, begann sie und schämte sich für die Ungeschicklichkeit, mit der sie vorging. »Ich würde gern ein wenig durch die Gegend streifen und bräuchte dabei Begleitschutz.«
    Ein feines Lächeln erschien auf Aliénors Gesicht. Marie fragte sich, wie viel Richard seiner Mutter erzählt hatte.
    »Raoul de Faye wird mir eine Eskorte zur Verfügung stellen. Richards Männer bleiben in Poitiers. Es soll nicht der
Eindruck entstehen, dass mein Sohn sich hier ein eigenes Heer aufbaut, denn das könnte Henri missfallen.«
    Marie überkam die Ahnung, dass sich in der Zwischenzeit einige Dinge ereignet hatten, die ihrem Onkel nicht gefallen würden. Doch vermutlich war es klüger, sich aus all dem herauszuhalten.
    »Ich würde gern in Poitiers bleiben«, erklärte sie nur, und die Königin nahm es mit einem Nicken hin.
     
    Marie sah sich nun in die Rolle gedrängt, während der Festtage statt Aliénor am Kopf der Tafel zu sitzen. Sie war erleichtert, dass die Gräfin de Champagne ebenfalls zur Stelle war und ihr die meisten der Begrüßungen und Ansprachen abnahm. Die Königin hatte ohnehin bereits Vorkehrungen für die Feierlichkeiten getroffen. Es fanden wieder prächtige Messen in der Kirche Notre Dame La Grande statt, und danach wurde im Palast ausgiebig gespeist, während Troubadoure und Gaukler für Unterhaltung sorgten. Allerdings schienen jene Damen und Ritter, die am Hof geblieben waren, sehr erleichtert, die meiste Zeit ganz sich selbst überlassen zu sein.
    Die Gräfin de Champagne führte lange Gespräche mit ihrem Kapellan. Marie täuschte eine Krankheit vor, sodass sie unbehelligt in ihrem Gemach bleiben konnte, ohne die Gesellschaft anderer Damen zu verlangen. Hawisa führte Jean herein, sobald der

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