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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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denken.
    »Wie alt ist der zukünftige Herzog genau?«, hörte sie Jean fragen.
    »Zwölf. Bald schon dreizehn. Wegen seiner Größe wirkt er wie ein erwachsener Mann.«
    »Es ist unglaublich, wie er kämpfen kann. Jeder Zoll an ihm ist königlich.«
    Ihre Blicke trafen einander, und diesmal empfand Marie keine Verlegenheit mehr, nur noch Erleichterung und Freude, denn sie sah ebendies in seinen Augen. Ohne zu zögern, griff sie nach seiner Hand.

    »Jetzt komm mit. Das war ein Befehl deines Dienstherrn«, sagte sie, lächelte und bot ihre Schulter als Stütze an, während sie ihn zu ihren Gemächern führte.
     
    Emma war fort, doch Hawisa hatte frisches Brot und Schinken hereingetragen, einen gefüllten Weinkrug und polierte Silberpokale auf den Tisch gestellt.
    »Da seid ihr ja endlich«, begrüßte sie Marie und Jean wie selbstverständlich. »Vor dem Fenster findet ihr noch eine Schüssel mit frischem Wasser, etwas Seife und Tücher, damit der tapfere Ritter sich waschen kann. Und jetzt mache ich mich davon, um nicht weiter zu stören.«
    Sie eilte zur Tür, doch Marie legte ihr die Hand auf die Schulter.
    »Du störst nicht.«
    »Aber nein, kein bisschen«, entgegnete Hawisa augenzwinkernd und verschwand durch den Türspalt.
    Als sie allein waren, schwiegen beide einen Moment verlegen. Jean löste seinen Gürtel und legte ihn mit dem Schwert auf den Boden. Als er begann, die ledernen Riemen der Beinschienen zu öffnen, eilte Marie ihm zu Hilfe. Sie fluchte leise, denn jeder einzelne Verschluss widersetzte sich ihren Fingern, doch schließlich gelang es ihr.
    »Wie kannst du mit so viel Gewicht am Körper überhaupt laufen?«, fragte sie fassungslos.
    »Ich habe jahrelange Übung.«
    Er hob das Kettenhemd an, und Marie musste nochmals all ihre Kraft aufwenden, um ihm zu helfen, es über seinen Kopf zu ziehen. Dann lag es neben Helm und Beinschienen. Marie fand, dass ihr Gemach immer mehr dem Zimmer der Ritter zu ähneln begann.
    »Du lebst hier nicht schlecht«, meinte Jean anerkennend, als er in einen Faltstuhl sank. Sein Blick glitt über Möbel
und Wände, blieb kurz an dem Teppich mit Dame und Einhorn hängen. Marie achtete wenig auf ihre Umgebung, sobald sie in ihren Geschichten versunken war, doch Hawisa sorgte stets dafür, dass es in ihren Gemächern hübsch aussah. Ein Strauß Pfingstrosen stand zwischen Essgeschirr auf dem bestickten Tischtuch.
    »Die Königin ermöglicht es mir, so zu leben«, erwiderte sie wahrheitsgemäß und hockte sich vor ihm nieder, um das verletzte Knie zu versorgen. Als sie den zerfetzten, blutdurchtränkten Stoff von seiner Haut gezogen hatte, quoll ihr frisches Blut entgegen.
    »Du brauchst einen Verband«, stellte sie fest, wickelte eines der bereitgestellten Tücher um die Wunde und spürte plötzlich Jeans Finger in ihrem Haar. Es gelang ihr noch, einen festen Knoten zu binden, dann lehnte ihr Kopf an Jeans Oberschenkel und seine Hand glitt über ihren Nacken unter den Stoff ihres Gewandes.
    »Ich danke dir für deine Hilfe, kleine Elfe.«
    Sie schloss die Augen und gab sich ganz dem Genuss der Berührung hin. Es schmerzte fast, als er seine Hand wieder zurückzog.
    »Jetzt sollte ich mich langsam in jemanden verwandeln, der in diese feinen, sauberen Gemächer passt«, sagte er mit leisem Spott und beugte sich nach einem frischen Tuch, das er ins Wasser tauchte, um den Schweiß und das Blut von seinem Gesicht zu wischen. Dann zog er das gepolsterte Hemd aus, das Ritter unter ihren Schutzpanzern trugen. Marie sah keinen Grund, ihren Blick von seinem nackten Oberkörper abzuwenden, als er sich wusch, doch die Erinnerung an jenen Tag in dem dunkeln, hässlichen Zimmer weckte ein sehnsüchtiges Kribbeln zwischen ihren Beinen. Aus Angst, er könne diese schamlosen Sehnsüchte in ihrem Gesicht lesen, wandte sie sich zum Tisch um und füllte die Weinpokale.
»Ich weiß jetzt, wie alles gewesen ist«, begann sie unterdessen. »Régnier de Rancon hat …
    »… mit diesem jämmerlichen Priester gesprochen, das weiß ich auch«, unterbrach Jean sie gelassen. »Robert erzählte mir, was er herausgefunden hatte, und dann stellte ich Régnier zur Rede. Er verhielt sich schändlich und außerdem dumm, weil er vor einem verklemmten Jüngling mit der Verführung von Emma d’Anjou prahlte. Das habe ich ihm ziemlich deutlich gesagt und ihn dadurch wütend gemacht. Aber für alles Weitere ist dieser Priester verantwortlich. Régnier redete mit niemand anderem.«
    »Und warum ließ er Emma

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