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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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bezahlen soll.«
    »Vielleicht solltest du etwas bescheidener werden, Sohn«, herrschte Henri ihn nun an. »Du ziehst von einem Turnier zu anderen, lässt dich bejubeln und prahlst mit deiner riesigen Gefolgschaft. Ein König muss lernen, seine Finanzen vernünftig zu verwalten. Du benimmst dich wie ein eingebildeter Gaukler, der Zuschauer beeindrucken möchte.«
    Marie unterdrückte einen Seufzer. Sie konnte nicht umhin, dem bärbeißigen Henri recht zu geben, doch hatte er gerade eben die friedliche Stimmung zerstört. Im Saal war es still geworden, nur verhaltenes Getuschel war zu hören. Sie sah, wie Richard aufstand.
    »Bitte vergebt mir, wenn ich mich jetzt entferne«, sagte er an seine Eltern gewandt. »Ich bin sehr erschöpft.«
    »Hier geht es um unser Erbe!«, rief sein älterer Bruder. Richard lächelte nur.
    »Ich habe bekommen, was ich mir wünschte. England überlasse ich dir gern, denn ich mag diese kalte, nasse Insel nicht. Über den Rest könnt ihr euch bis zum Morgengrauen zanken.«
    Er verneigte sich vor seinen Eltern, um anschließend den Saal zu verlassen. Betretenes Schweigen trat ein.
    »Ich denke, unser Sohn hat recht, Henri. Wir sollten unseren Streit nicht in aller Öffentlichkeit austragen«, meinte Aliénor leise zu ihrem Gemahl, der kurz nickte. Dann stand er auf und hob die Hand. Dienstboten begannen sogleich, das Geschirr von der Tafel zu räumen. Die Gäste murmelten eine Weile verärgert, denn es waren noch nicht alle Gänge
aufgetragen worden, doch schließlich nahmen sie den Wunsch ihres Königs mit gewohnter Ergebenheit hin.
    Aliénor folgte Henri. Der älteste Sohn und Geoffroy eilten ebenfalls hinterher. Marie wollte sich in das Gemach der Hofdamen zurückziehen, doch Emma packte sie am Ärmel.
    »Los, lass uns mitkommen. Wir gehören schließlich auch zu dieser reizenden Familie. Es könnte aufregend werden.«
    Marie fügte sich widerstrebend, obwohl Marguerite und die anderen Mädchen keine solche Dreistigkeit wagten. Doch wie auch immer diese Auseinandersetzung ausging, es konnte ihre eigene Zukunft beeinflussen.
    Henri empfing alle in seinem Gemach, befahl den Dienstboten, weitere Speisen und Wein hereinzutragen. Außerdem wurden Stühle gebracht, damit alle Anwesenden sich setzen konnten. Niemand störte sich an der Gegenwart zweier illegitimer Töchter, vielleicht, weil sie unwichtig waren.
    Der König lehnte sich breitbeinig auf seinem Stuhl zurück und legte die Hände auf die Knie.
    »Nun«, begann er. »Die Verteilung meiner Ländereien. Sie obliegt immer noch mir.«
    Sein ältester Sohn holte Luft, doch Aliénor fiel ihm ins Wort.
    »Vielleicht solltet Ihr Euch an bereits gegebene Versprechen erinnern, mein Gemahl.«
    »Nun, ich erinnere mich an sie. Doch manchmal scheint es mir angebracht, meine Meinung zu ändern.«
    Er biss genüsslich in einen gebratenen Apfel. Nach dem Tod seines Widersachers Becket, der Eroberung Irlands und der Aufhebung des Kirchenbanns schien der Bär sich wieder ganz sicher in seinem Pelz zu fühlen.
    »Ich kann verstehen, dass es Euch klüger erscheint, Eure Ländereien einem vierjährigen Knaben zuzusprechen, der sie
nicht beanspruchen kann«, fuhr Aliénor fort. »Doch Henry erwartet …«
    »Er kann erwarten, was er will. Aber ich entscheide, was er bekommt. Vielleicht England eines Tages. Vielleicht auch nicht.«
    Der junge Henry sprang auf. Aliénor hob die Hand.
    »Henry wurde zum König von England gekrönt. Richard zum Herzog meiner Ländereien. Das also ist bereits entschieden.«
    Der König schluckte das letzte Apfelstück und wischte sich den Mund ab.
    »Es ist entschieden, bis ich mich vielleicht wieder anders entscheide. Hütet Eure Zunge, Ma Dame. Ich lasse mir keine Befehle erteilen.«
    Marie ahnte, dass die Königin ihren Gemahl soeben verärgert hatte. Das Gespräch verlief alles andere als erfreulich.
    »Warum ist Richard eigentlich nicht hier?«, fuhr Henri fort. »Es war anmaßend von ihm, so einfach zu verschwinden. Als wären meine Entscheidungen ihm völlig gleichgültig. Er ist hochmütig.«
    »Ihr könntet nach ihm sehen, Vater«, mischte sich plötzlich Geoffroy ins Gespräch. Marie entdeckte ein spöttisches Leuchten in seinen Augen, und ihr wurde unbehaglich zumute.
    »Gut, ich schicke ihm einen Diener. Er soll hier schleunigst auftauchen«, nahm der König den Vorschlag an.
    »Seht selbst nach ihm, Vater. Ihr könntet unerwartete Entdeckungen machen«, sagte Geoffroy daraufhin.
    In diesem Augenblick zerriss ein

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