Die Dichterin von Aquitanien
dabei«, lallte eine angetrunkene Emma in Maries Ohr. Isabelle hatte dem Wein ebenfalls kräftig zugesprochen und nutzte den Umstand, dass ihr Gemahl sich grölend mit den Grafen von Angoulême und La Marche verbrüderte, um Adémar de Limoges aus den Augenwinkeln einladende Blicke zuzuwerfen. Richard saß schweigsam da wie meist. Er mochte keine Menschenmengen. Immer wieder sah er sich nach Meir um, als könne der Anblick seines Freundes ihm Erleichterung verschaffen. Schließlich waren die Köpfe zahlreicher Gäste auf die Tafel gesunken. Ritter lagen im Stroh des Festsaals und schnarchten. Meir hatte es nun gewagt, sich neben Richard zu setzen, was Aliénor gleichmütig hinnahm.
Sie unterhielt sich angeregt mit Raoul de Faye. Emma war mit ihrem Liebhaber verschwunden. Adémar forderte Isabelle mit einer Geste auf, ihm zu folgen. Marie lehnte sich an Jean, der sich ebenfalls auf die Tribüne am Kopf der Tafel gesetzt hatte.
»Bald können wir Amélie holen«, versicherte er. »Alles entwickelt sich zum Besten.«
Marie hatte gehofft, Aliénor würde nach Richards Krönung endlich Zeit finden, die Auflösung ihrer Ehe mit Cadell in die Wege zu leiten, doch schien die Königin weiterhin beschäftigt. Boten brachten aufregende Neuigkeiten. Henri war siegreich aus Irland zurückgekehrt und hatte Buße für die Ermordung des Erzbischofs geleistet, wobei er sich in aller Öffentlichkeit hatte geißeln lassen. Der Kirchenbann über England wurde aufgehoben. Marie fragte sich, wann Jean Land erhalten sollte, denn ein Krieg schien jetzt unwahrscheinlich. Doch jedes Mal, wenn sie zaghaft versuchte, Aliénor an ihre Versprechen zu erinnern, wurde sie freundlich, aber bestimmt um Geduld gebeten. Zwar musste sie ihre Liebschaft nicht mehr so bedacht geheim halten wie am Anfang, aber eine Vermählung mit Jean war nicht abzusehen. Selbst ihre heimliche Hoffnung, an Weihnachten mit Jean zu seiner Familie reisen zu können, damit er endlich seine Tochter sehen konnte, erfüllte sich nicht. Diesmal befahl der König seine Familie nach Chinon, und Aliénor wünschte ausdrücklich Maries Begleitung. Da Richard als Herzog von Aquitanien nun auch seine Ritter mitnehmen würde, fügte sie sich gern. Chinon war der Ort, wo sie Jean zum ersten Mal gesehen hatte, was der Reise ein wenig Reiz verlieh.
Die Feierlichkeiten zogen an Marie vorbei, ohne großen Eindruck zu hinterlassen. Einst war ihr diese Burg prächtig erschienen, doch nun verblasste sie im Vergleich zum Palast
von Poitiers. Marie sehnte sich bald schon nach Aliénors Hof. Mit Erleichterung erschien sie am zwölften Weihnachtstag zum letzten Mahl im großen Saal. Bisher war alles friedlich verlaufen, Henri hatte sich laut und bestimmend verhalten, war aber niemals unfreundlich zu seiner Familie gewesen. Rosamond hatte er in England gelassen, ein Zeichen der Rücksicht, das Aliénor wohl zu schätzen wusste, denn sie hielt ihre scharfe Zunge im Zaum. Am folgenden Morgen würden alle Gäste wieder aufbrechen, und Marie könnte Jean bald schon nachts in ihrem Gemach empfangen, auch wenn er noch nicht ihr Gemahl war.
»Ich habe beschlossen, unseren jüngsten Sohn John aus dem Kloster zu holen«, hörte sie Henri plötzlich den Gesang des Troubadours übertönen. »Er ist jetzt vier Jahre alt und sollte allmählich andere Menschen kennenlernen als hochnäsige Nonnen und dienstbare Mönche.«
Eine feine Falte erschien zwischen Aliénors Brauen.
»Wie Ihr meint«, sagte sie nur.
»Und ich werde ihm auch ein Erbe zugestehen. Er könnte der zukünftige König Irlands werden.«
Der junge König Henry und sein Bruder Geoffroy wandten ihre Gesichter dem Vater zu. Nur Richard aß in aller Ruhe weiter.
»Und außerdem werde ich ihm ein paar Burgen in Anjou überlassen. Diese hier zum Beispiel. Es wäre doch unrecht, wenn der jüngste Sohn nichts bekäme.«
Marie stimmte innerlich zu. Irland schien ihr eine gut gewählte Lösung, doch war Chinon nicht bereits einem anderen Sohn versprochen worden?
»Diese Burg gehört mir!«, hörte sie den jungen Henry auch schon empört ausrufen. »Ihr habt sie mir in Montmirail überlassen, Vater.«
Henri lachte kurz auf.
»Das ist schon lange her. Ich habe es vergessen, fürchte ich. Außerdem bist du der zukünftige König Englands.«
»Der zukünftige, ja, aber im Augenblick habe ich gar nichts«, brauste der älteste Sohn weiter auf. »Meine Brüder erhielten bereits ihre Ländereien, aber ich weiß nicht, wie ich meine Männer
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