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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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Schleier vor Maries Augen. Sie sah in aller Deutlichkeit wieder die Leidenschaft zwischen Guy de Osteilli und Owein, erinnerte sich an Richards warmes, glückliches Lächeln, das allein Meir
gegolten hatte. Fröstelnd warf sie Geoffroy einen zornigen Blick zu. Meir musste Richard heimlich nach Chinon gefolgt sein, er war auch damals nach dem Weihnachtsfest in Poitiers zu der Feier im Saal erschienen. Und der für seine Hinterhältigkeit bekannte Geoffroy hatte auf irgendeine Art mitbekommen, was seinen Bruder mit diesem jüdischen Jungen verband. Henri war bereits aufgestanden, um dem Rat des dritten Sohnes zu folgen. Marie wandte sich verzweifelt an Aliénor.
    »Hoheit, er sollte nicht allein zu Eurem Sohn gehen. Er könnte Dinge sehen, die ihm nicht gefallen.«
    Kurz sah die Königin überrascht aus, aber dann schien sie sogleich zu begreifen. Entschlossen sprang sie auf.
    »Wartet einen Augenblick, mein Gemahl. Ich werde Richard selbst holen. Es … es könnte ihm missfallen, wenn Ihr einfach hereinstürmt.«
    Henri drehte sich um.
    »Was ihm missfällt oder nicht, ist mir völlig gleichgültig!«, donnerte seine Stimme durch den Raum. Aliénor biss sich auf die Lippen. Ihre Stirn war in Falten gelegt, während sie weiter nach einem überzeugenden Grund suchte, der ihren Gemahl zurückhalten könnte. Henri machte den nächsten Schritt zur Tür, dann blieb er wie angewurzelt stehen und wandte sich nochmals an seine Frau. Ein Blitzen erschien in seinen Augen, das ihn plötzlich verschlagen aussehen ließ wie einen schlauen Bauern. Daher also hatte Geoffroy seinen Hang zur Durchtriebenheit!
    »Ihr wollt mir doch etwas verheimlichen, nicht wahr?«, zischte Henri. Aliénor holte Luft, um dies empört abzustreiten, aber Henri schnitt ihr das Wort ab. »Begleitet mich, wenn Ihr wollt, aber ich werde Euren Lieblingssohn selbst aus seinen Gemächern holen, ob es Euch gefällt oder nicht.«

    Mit entschlossenen Schritten durchquerte er nun Gang. Aliénor folgte. Marie eilte ihr hinterher, obwohl sie ahnte, dass ein Unglück nicht mehr aufzuhalten war.
     
    Die Tür flog auf und Henri stürzte herein. Eine Weile blieb es verdächtig still, dann erzitterten die Wände der Burg von einem fast tierischen Brüllen.
    »Hurensohn! Hundsfott! Missgeburt der Hölle! Christusmörder!«
    Jemand schrie vor Schmerz. Aliénor blieb im Türrahmen stehen, sodass Marie über ihre Schulter spähen musste. Hinter sich spürte sie Emmas Gestalt.
    Meir lag auf dem Boden und hielt sich schützend die Arme vors Gesicht. Blut floss aus seiner Nase und seinem Mund und begann bereits, eine Lache auf dem Boden zu bilden. Er war in eine Decke gewickelt, aus der nackte Beine hervorragten, versuchte verzweifelt, vor dem nächsten Hieb wegzurollen, doch Henri trat ihn so heftig in den Magen, dass er aufstöhnte und sich krümmte.
    »Ich bringe dich um, du stinkender Sodomit, du …«
    »Henri, bitte …«, flehte Aliénor. Der Rest ihrer Worte wurde von einem weiteren Brüllen übertönt.
    »Haltet den Mund, ich warne Euch. Ihr verderbte Schlange seid an alldem schuld. Ihr habt meine Söhne verdorben, Ihr …«
    Er hob nochmals die Hand, unschlüssig, wen er nun schlagen sollte. Aliénor trat einen Schritt zurück, als sei sie durch Erfahrung vorsichtig geworden.
    »Haltet ein, Vater. Ich warne Euch.«
    Richards Stimme klang ebenso laut, doch war sie kalt und gefasst. Er hatte sich die Chemise übergezogen und sein Schwert ergriffen, das drohend in der Luft schwebte. Seine Spitze war auf Henri gerichtet.

    »Ihr werdet Meir nicht mehr verletzen. Und auch nicht meine Mutter, sonst wird es Euch leidtun, das schwöre ich.«
    Er ging langsam auf seinen Vater zu, um sich vor Meir zu stellen, der schnell in eine Ecke kroch. Aliénor seufzte auf. Henri begann so dröhnend zu lachen, wie er gerade eben geschrien hatte.
    »Er droht mir! Der kleine Welpe fletscht die Milchzähne, wie süß.«
    Dann verstummte er und stand breitbeinig im Raum, den Blick starr auf Richard gerichtet. Das Schwert begann zu zittern, blieb aber, wo es war. Richard sah nicht aus wie ein Welpe. Mit seinen vierzehn Jahren war er bereits so groß wie der König, breitschultrig und muskulös von zahlreichen Kampfübungen.
    »Du wagst es also, die Waffe gegen deinen Vater zu richten, undankbare Brut!«, begann Henri zunächst leise, doch steigerte er sich allmählich zu seinem gewohnten Gebrüll. »Du sollst in der Hölle schmoren für deine Missetaten. Verderbt bist du bis in die Knochen.

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