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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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weniger fiebrig, doch der breite Mann mit glänzendem Glatzkopf bestand auf der Notwendigkeit des Eingriffs. Unschlüssig wollte Marie zum Protest ansetzen, aber Jean streckte bereitwillig seinen Arm aus.
    »Ich habe es schon einmal überlebt. Geh du am besten ins Nebenzimmer.«
    Wieder hatte er seine Kiefer fest aufeinandergepresst, und in seinen blauen Augen stand die blanke Angst.
    »Ich bleibe hier«, beharrte Marie, obwohl sie nicht einmal wusste, ob sie dadurch irgendeine Hilfe für ihn sein konnte.
Der Bader flößte ihr noch weniger Vertrauen ein als der fromme Heiler. Sie warf ein paar Holzscheite in den Kamin, um das Feuer trotz der Hitze aufflammen zu lassen. Dann beobachtete sie, wie der Glatzkopf sein Brenneisen zum Glühen brachte und es anschließend auf die noch offenen Ränder der Wunde presste. Jeans gellender Schrei hallte gegen die Steinwände, und Marie fürchtete, ihr Kopf würde zerspringen. Als sie fühlte, wie er mit der anderen Hand nach ihren Fingern griff und sie durch den heftigen Druck fast selbst zum Schreien brachte, wurde ihr klar, dass es richtig gewesen war, bei ihm zu bleiben.
    Der Bader erhielt ebenfalls einen Silberpenny und bot ein weiteres Ausbrennen an, falls der Zustand des Ritters sich nicht bessern sollte. Marie unterdrückte mühsam den Wunsch, ihn aus dem Raum zu jagen.
    »Ich lasse nicht zu, dass dich noch irgendjemand quält«, versprach sie Jean, nachdem der Mann verschwunden war. Er lächelte schwach, schien widersprechen zu wollen, doch fehlte ihm die Kraft dazu. Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Sie zog die leichte Sommerdecke bis zu seinem Kinn, ließ nur den verletzten Arm frei.
    »Versuche jetzt zu schlafen!«
    Ein Zittern fuhr durch seinen Körper, und er schloss die Augen. Marie ließ sich bei der Königin entschuldigen, dass sie nicht zum Mittagsmahl an deren Tafel erscheinen konnte. Erschöpft streckte sie sich neben Jean auf dem Bett aus. Sie versuchte zu lesen, doch vermochte keines der geliebten Bücher ihre Aufmerksamkeit zu fesseln. Staunend ertappte sie sich beim Murmeln von Gebeten, bis auch ihre schweren Lider zufielen. Der Schlaf war keine Erlösung, denn sie wurde von unruhigen Träumen geplagt. Unsichtbare Hände stießen sie in ein tiefes Loch. Ein qualvolles Stöhnen ließ sie auffahren.

    »Mein Arm tut weh, so höllisch weh. Schlimmer als zuvor.«
    Marie beugte sich angstvoll über Jean. Wieder glühte sein Körper, als werde er von einem inneren Feuer verbrannt. Er wand sich zitternd auf der Matratze. Die Wunde war schwärzer geworden, nur ein rotes Rinnsal sickerte auf das Laken. Sie sprang auf. Wen sollte sie noch rufen? Der Mönch und der Bader hatten versagt. Aliénor. Sie würde zu Aliénor laufen und ihr erzählen, was ihr gottverdammter Krieg angerichtet hatte.
    Da ging die Tür auf. Als Hawisas zarte Gestalt im Zimmer erschien, nahm die Welt wieder klare Formen an.
    »Ich weiß jetzt, wo David ben Jehuda ist«, sagte sie sogleich. »Er fuhr zu einem Verwandten in Tours. Danach will er nach Salerno zurück.«
    Marie holte Luft und ordnete mühsam ihre Gedanken. Irgendwo in all dem Dunkel sah sie einen Schimmer von Helligkeit.
    »Besorge mir einen Karren mit Gespann. Wir fahren nach Tours.«
    »Zu Pferd wären wir schneller«, warf Hawisa ein.
    »Jean kann nicht reiten. Er ist zu schwach.«
    »Aber Marie«, mahnte die Zofe. »Du willst ihn gleich mitnehmen, obwohl er geschwächt ist? Dabei weißt du doch gar nicht, ob dieser Jude ihn behandeln wird. Er verzichtete auf eine sichere, gut bezahlte Stellung als Leibarzt Aliénors, da er verärgert war. Du gehörst zum Hof der Königin.«
    Auf einmal wünschte Marie sich weit weg aus dem Palast.
    »Ich werde ihn dazu bringen, Jean zu behandeln, sobald ich ihm gegenüberstehe«, erklärte sie nur. Etwas in ihrer Stimme ließ Hawisas Widerstand erlahmen.
    »Er wird eine Entlohnung verlangen. Jüdische Ärzte sind nicht billig, und du hast kein eigenes Vermögen«, sagte
sie stattdessen. Marie sah sich ratlos in ihrem prächtigen Gemach um. Fast ein Dutzend seidener Bliauts lag in ihrer Truhe und auch die Kette aus Saphiren, die sie zu Richards Krönung getragen hatte. Dann war da noch der wunderschöne Wandbehang. Zwei Damen und ein Einhorn.
    »All jene Geschenke, die Aliénor mir machte, werde ich ihm anbieten.«
    »Damit könntest du die Königin sehr verärgern.«
    In Maries Kopf barst ein Damm. Sie unterdrückte mühsam den Wunsch, um sich zu schlagen.
    »Dann soll sie zur Hölle fahren,

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