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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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dass Ihr am Hof der Königin Gedichte über die Liebe schreibt, Ma Dame?«, mischte sich plötzlich die ältere Tochter Orovida ins Gespräch. Ihre Wangen waren gerötet. Vermutlich hatte sie eifrig von dem Wein getrunken, während die anderen Anwesenden damit beschäftigt gewesen waren, über ihn zu reden. Marie nickte.
    »Dürften wir nach dem Mahl eine davon hören?«, fuhr das Mädchen fort, ohne auf den finsteren Blick seines Vaters zu achten. Marie straffte die Schultern.

    »Es wäre mir eine Ehre, Euch durch meine bescheidene Kunst unterhalten zu können«, sagte sie und musterte den Arzt aus den Augenwinkeln. Er runzelte die Stirn, schwieg aber. Das Thema Weinanbau hatte sich erschöpft, und aufwieglerische Geschichten über Ehebruch waren einer weiteren Unterhaltung über Kreuzzüge wohl vorzuziehen.
    »Wenn ich eine Harfe hätte, könnte ich eine Melodie dazu spielen«, regte Jean an. David ben Jehuda wies Osman an, ein solches Instrument zu bringen.
    Marie erzählte wie schon viele Male zuvor von dem Ritter in Vogelgestalt und seiner Dame, die inzwischen einige Wandlungen erfahren und mehr Umfang angenommen hatte. Der eifersüchtige Ehemann ermordete den Ritter durch einen Hinterhalt, doch Jahre später verriet die Dame ihrem Sohn, wer sein wahrer Vater war, damit er Rache nehmen konnte. Der tyrannische Gemahl wurde getötet, und als die Dame starb, ließ ihr Sohn sie an der Seite des Geliebten begraben, sodass sie im Tode endlich wieder vereint waren.
    Hadessa wischte sich Tränen aus den Augen.
    »Das ist traurig. Furchtbar traurig.«
    »Aber sie hat wenigstens echte Liebe erlebt!«, warf Orovida ein. »Das würde ich mir so sehr wünschen.« Auch ihre Augen leuchteten nun wie Kohlen im Feuer. Sie hatte begonnen, den blonden, schönen Ritter, dessen Finger so zart über die Saiten der Harfe gleiten konnten, sehr aufmerksam zu mustern. Jean verhielt sich wie immer, wenn er sichtlich angeschmachtet wurde. Er beachtete es nicht, hielt die schwärmerische Orovida höflich auf Abstand. Es fiel ihm offenbar nicht schwer, treu zu sein, vielleicht, weil es ihm an Gelegenheiten zu einem Abenteuer niemals gemangelt hatte und er daher nicht fürchtete, noch etwas zu versäumen. Marie erhielt einen neidvollen Blick aus dunklen Mädchenaugen und stellte erleichtert fest, dass er nicht boshaft schien.

    Jamila hatte bisher nur geschwiegen, doch ihre Augen musterten die Anwesenden sehr aufmerksam. Plötzlich kicherte sie leise.
    »Ich hätte diesen Ehemann einfach vergiftet. Das wäre die einfachste Lösung gewesen«, sagte sie spöttisch. »Als reiche Witwe könnte ich mir einen Mann suchen, der mir gefällt und der meinetwegen nicht in Lebensgefahr gerät.«
    Sie lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und genoss die allgemeine Sprachlosigkeit, die Meir schließlich unterbrach, indem er auflachte.
    »Jamila hat einen Sinn fürs Praktische, das muss man ihr lassen«, meinte er. »Sollten wir ihren Zukünftigen nicht besser warnen, in welche Gefahr er gerät, wenn er sie nicht glücklich macht?«
    Hadessa stieß einen vorwurfsvollen Seufzer aus, aber auf ihren Lippen tanzte ein Lächeln, während sie sich die letzten Tränen aus den Augen wischte. Marie betrachtete die halbwüchsige Jamila anerkennend. Sie erahnte einen sehr kühlen aber messerscharfen Verstand hinter der hohen Stirn. Wäre eine skrupellose Jamila auch schlau genug, um der Strafe für Gattenmord zu entgehen? Und war es denn recht, einen Menschen zu töten, nur um dadurch Freiheit zu gewinnen? In ihrem Kopf begann eine neue Geschichte Gestalt anzunehmen, während David ben Jehuda schmallippig nach dem Diener rief, um eine weitere Karaffe Wein bringen zu lassen. Seine verärgerte Miene löste ein Gefühl spöttischen Triumphs in Marie aus. Sie hatte also doch die Gemüter der Frauen seiner Familie aufwiegeln können und ihnen dadurch sichtliche Freude geschenkt. Unter dem Tisch griff sie nach Jeans Hand und schloss die Augen. Sie durfte niemals vergessen, welches Glück sie mit ihm hatte.

11. Kapitel
    E s wehte bereits ein frischer Herbstwind, als Marie und Jean die Rückreise antraten. Das Maultier war in der Zwischenzeit gut versorgt worden, denn es wirkte wohlgenährt und glänzte frisch gestriegelt, als hätte man es mit Wachs eingerieben. Marie trug ihr Messer am Gürtel. Jean hatte von Meir einen kurzen, scharfen Dolch erhalten, dessen Griff mit kunstvollen Schnitzereien verziert war. Hadessa hatte ihm Beinkleider und einen wollenen Kittel gegeben,

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