Die Dichterin von Aquitanien
hereintrug, und es würde nur lächerlich wirken, wenn sie versuchte, ein Geheimnis daraus zu machen, wie sie beide zueinander standen.
»Es geht mir in der Tat wieder gut. Ich bin Eurem Vater ergebensten Dank schuldig«, sagte Jean. Meir blickte auf die gebogenen Spitzen seiner Pantoffeln.
»Ich werde es ihm ausrichten. Aber er wird sicher bald selbst vorbeikommen. Wünscht Ihr ein Glas frisches Wasser? Oder besser Sherbet, ein kühles Getränk aus Früchten? Vielleicht hat die Königin Euch davon erzählt. Sie kennt es sicher aus Outremer.«
Marie erwiderte verlegen, dass sie mit Wasser zufrieden wären. Sie hatten in diesem Haus bereits mehr als genug bekommen. Osman wurde gerufen.
»Spielt Ihr Schach, Sire?«, wandte Meir sich an Jean, während die Becher gefüllt wurden. Als Jean den Kopf schüttelte, wanderten die dunklen Augen zu Marie.
»Ich kenne die Regeln, aber ich spiele ziemlich schlecht«, gestand sie. »Es würde Euch nur langweilen, mich im Handumdrehen zu besiegen.«
Sie wollte sich in diesem glücklichen Moment nicht den Kopf mit Figuren und abstrakten Regeln zermartern und hoffte, Meir würde von seiner Idee abkommen. Er wippte nur verlegen mit dem Fuß, zeigte aber keinerlei Verlangen, sich wieder zu entfernen. Peinliches Schweigen entstand.
»Wir sind Eurem Vater wirklich großen Dank schuldig«, begann Marie, um es zu unterbrechen. »Wenn es etwas gibt, was Ihr wünscht, dann …«
»Wie geht es ihm?«, unterbrach Meir sie. Seine Augen wirkten plötzlich sehr groß in dem schmalen, blassen Gesicht. Marie brauchte nicht zu fragen, von wem er sprach.
»Er ist in Paris beim französischen König. Oder wieder zu einer neuen Schlacht aufgebrochen. So genau weiß ich es nicht. Doch schien er … Er schien sehr entschlossen, seinen Vater zu besiegen.«
Sie vermochte nicht zu lügen und zu behaupten, dass Richard glücklich gewirkt hatte. Meir zog die Beine auf den Diwan. Marie spürte ein Ziehen in ihren Oberschenkeln, so unbequem wirkte diese Art zu sitzen, doch bereitete sie ihm
offenbar nicht die geringsten Schwierigkeiten. Er ließ den Diener drei Becher füllen. Das Getränk war kein reines Wasser, denn es duftete süßlich nach Früchten. Jener Sherbet, vermutete Marie. Ihr Wunsch nach Wasser war als unnötige Bescheidenheit abgetan worden. Sie nippte und fand Gefallen an dem frischen, zarten Geschmack auf ihrer Zunge.
»Er wird eines Tages König sein«, begann Meir völlig unvermittelt. »Dazu ist er geboren. Man sieht es ihm an.«
Wieder brauchte Marie nicht zu fragen, um wen es ging. An ihrer Seite murrte Jean schon leise. Bei Hofe wäre es gefährlich gewesen, so zu reden.
»Der junge Henry wurde bereits zum Nachfolger seines Vaters gekrönt«, sagte sie, obwohl Meir es eigentlich wissen musste.
»Natürlich«, erwiderte er mit einem leichten Nicken. »Doch ich glaube nicht, dass es dazu kommt. Irgendetwas wird geschehen, das Richard auf den Thron bringt, denn das ist seine Bestimmung.«
Marie rieb sich verwirrt die Schläfen. Es machte wenig Sinn zu widersprechen. Richard strahlte die Würde und Kraft aus, welche man mit dem Idealbild eines Königs verband.
»Er mag der königlichste aller vier Söhne sein, doch bleibt er trotzdem der Zweitgeborene«, entgegnete sie, wurde aber überhört.
Meir beugte sich vor und begann leise weiterzureden: »Ich werde zu seiner Krönung kommen. Bitte sagt ihm das, wenn Ihr ihn seht, Ma Dame Marie. Unsere Trennung wird nicht für immer sein.«
In der jungen Stimme lagen so viel Sehnsucht und Schmerz, dass Marie jeden Widerspruch aufgab. Sie hatte lange nicht gewusst, was von Meir zu halten war. Aliénor hatte ebenso wie Henri einen schlechten Einfluss in ihm
gesehen, einen Verführer zu orientalischer Lasterhaftigkeit, der in einer christlichen Burg nicht geduldet werden konnte. Doch schien ihn ein echtes, tiefes Gefühl mit Richard zu verbinden. Wieder keimte Mitleid in ihr auf.
»Ich werde es ihm sagen«, versprach sie. Meir stand auf und verbeugte sich nochmals.
»Ich danke Euch, Ma Dame Marie. Im Übrigen sind meine Mutter und meine zwei Schwestern sehr neugierig, die Liebesdichterin der Königin kennenzulernen. Nun, da der Ritter genesen ist, wäre es uns eine Ehre, euch beide beim abendlichen Mahl an unserer Tafel zu sehen.«
Marie überlegte, warum die Frauen des Hauses sie bisher nie aufgesucht hatten. Manchmal wäre sie froh über ein wenig Ablenkung gewesen. Hatte David ben Jehuda ein Verbot ausgesprochen, das erst jetzt
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