Die Dichterin von Aquitanien
Aliénor wurde alt, doch sie fand einen Weg, auch dieses Problem zu lösen, indem sie von der schönen Verführerin zur liebenden Mutter wurde, die ihre Söhne an die Macht bringt. Aber diese Rechnung ging eben nicht auf.«
»Nein«, stimmte Marie düster zu. »Diese Rechnung ging nicht auf. Aber du hättest sie doch nach Paris fliehen lassen können. Sie hätte auch dich mitgenommen, wenn du darum gebeten hättest.«
»Bitten, bitten, immer nur bitten«, stieß Emma hervor. »Daraus bestand mein ganzes Leben. Henri wieder und wieder anflehen, dass er mich nicht mit irgendeinem wildfremden Mann vermählt! Ich wollte meinen eigenen Gemahl wählen. Foulques sagte, wir könnten heiraten, wenn wir Henri gemeinsam unterstützten. Er ist der uneheliche Sohn des Grafen von Matha, ein Bastard und Habenichts wie ich, doch er meinte, Henri würde ihm sicher ein Lehen geben. Aber jetzt ist er nicht hier.«
Maries Groll schwand, da diese Geschichte so erschreckend ihrer eigenen glich. Auf einmal war sie bereit, Emmas Hand zu halten. Was hätte sie selbst nicht alles getan, um mit Jean leben zu können? Aliénor zu verraten, dazu wäre sie nicht bereit gewesen, aber Emma hatte der Königin niemals wirklich nahegestanden.
»Er kommt sicher noch. Vielleicht hat Henri ihm einen besonderes Auftrag gegeben«, versuchte sie ihre Tante aufzumuntern.
»Er kommt nicht mehr«, stieß Emma zwischen zwei Schluchzern hervor. Dann griff sie unter ihr Kissen, um eine zerknüllte Pergamentrolle hervorzuziehen, die sie Marie hinhielt.
»Lies! Ich habe es mir bereits vorlesen lassen, aber vielleicht entdecken deine scharfen Augen ja eine heimliche Nachricht zwischen den Zeilen.«
Marie rollte das Pergament mit einem unguten Gefühl auf. Die Botschaft der holprigen Buchstaben war knapp, aber deutlich in ihrer Aussage. Henri versprach Foulques die Nachfolge als Graf von Matha, da sein Vater keine ehelichen Söhne aufweisen konnte, und bot ihm die Ehe mit einer reichen Erbin an. Emmas Ritter riet zur Einsicht. Er konnte es sich nicht erlauben, die Gunst des Herrschers aufs Spiel zu setzen.
Marie fröstelte. So schnell also konnte der Traum von einer glücklichen Zukunft zerbrechen.
»Sprich mit Henri. Schlage ihm vor, dass du diese reiche Erbin sein könntest«, sagte sie eindringlich. Nicht aufgeben. Sich niemals fügen. Das war die einzige Möglichkeit.
»Das habe ich doch schon versucht, meine schlaue Dichterin!«, rief Emma und presste ihre Finger auf ihre Augen, um neue Tränen zu verbergen. »Doch mein lieber Bruder hat mich bereits einem anderen Mann versprochen. Davydd ap Owein, Herr über Gwynedd in Wales. Er bekommt mich als Belohnung, weil die Waliser in diesem verfluchten Krieg zu Henri hielten!«
Marie lehnte sich sprachlos zurück. Es klang wie eine gerechte Strafe des Schicksals, doch gleichzeitig wirkte Emma zu verzweifelt, um ein Gefühl des Triumphs zuzulassen. Sie stand auf und füllte einen Becher, der auf dem Boden herumlag, mit Wasser aus dem noch unversehrten Krug. Vorsichtig hielt sie ihn Emma hin. In der letzten Zeit mit Aliénor hatte sie gelernt, wie schnell ihr Dinge aus der Hand geschlagen werden konnten. Doch Emma nahm ergeben ein paar Schlucke.
»Foulques hat dich nicht verdient, wenn er dich so einfach im Stich lässt«, sagte Marie nach kurzem Überlegen. »Dieser Davydd beherrscht einen großen Teil von Wales. Du wirst dort die Herrin sein, wie du es dir immer gewünscht hast.«
Emma lachte auf.
»So spricht die zukünftige Witwe eines walisischen Prinzen! Dein Leben dort war die Hölle, das hast du selbst gesagt.«
Marie strich sanft über Emmas Hand.
»Das lag an meinem Gemahl, nicht an Wales. Du bist eine sehr schöne Frau, Emma. Davydd ap Owein wird erfreut sein, wenn er dich sieht. Er ist kein verbitterter, enttäuschter
Mann wie mein Gemahl es war, sondern ein Herrscher. Mache das Beste aus dieser Lage. Folge Aliénors Beispiel. Sie suchte sich mächtige Männer, um selbst Macht zu besitzen.«
Obwohl sie selbst nicht ganz von ihren Worten überzeugt war, bemerkte sie zufrieden, wie Emma sich allmählich entspannte.
»Ich werde meinen eigenen Hof haben, nicht wahr?«, meinte die Tante, während sie ihre Wangen trocken wischte.
»Einen Hof, der viel größer ist als die Burg von Matha«, versicherte Marie. Dann ließ sie Jeanne eine Brühe aus Kräutern bringen, die Emma beruhigen sollte. An ihrem Schicksal war nichts mehr zu ändern.
Mit dem Gefühl, ihr Bestes gegeben zu haben, machte
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