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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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schicken, wenn es dir derart zuwider ist«, gab er erstaunlich schnell nach. »Ich dachte mir bereits, dass ein Mädchen wie du nicht unbedingt für die Ehe geschaffen ist.«
    Marie wollte entgegnen, dass sie durchaus für die Ehe mit Jean geschaffen war, aber der König brachte sie mit einer ungeduldigen Handbewegung zum Schweigen.
    »Es gibt noch eine andere Möglichkeit, die ich mir bereits überlegt hatte«, begann er versöhnlich. »Ich habe eine zweite Halbschwester, die ebenso heißt wie du. Hast du schon von ihr gehört?«
    Marie nickte.
    »Sie war schon als Kind sehr klug und eigenwillig. Du erinnerst mich ein wenig an sie«, fuhr Henri fort. Marie versuchte, ihren Atem zu beruhigen. Worauf Henri auf einmal hinauswollte, war ihr ein einziges Rätsel. Was hatte die andere Marie d’Anjou, Äbtissin des Klosters von Edwardstowe, mit ihrer gegenwärtigen Lage zu tun?
    »Du kannst in dieses Kloster gehen, wenn du willst«, versetzte die Stimme des Königs ihr einen völlig unerwarteten Hieb. »Es gibt dort eine große Bibliothek, die dir gefallen wird, und meine Schwester wird gern bereit sein, dein Talent zu fördern. Ich gebe dir ein Jahr Zeit, dich zu entscheiden. Doch wenn du nicht in dieses Kloster gehen willst, so heiratest du einen Mann meiner Wahl.«
    Die Verzweiflung ließ Marie noch einmal auffahren, doch eine kalte, harte Entschlossenheit in den grauen Augen des Königs erstickte alle Worte des Protests. Sie wären sinnlos gewesen.
    Mit zitternden Beinen trat sie ein paar Schritte zurück.
    »Ich habe verstanden«, meinte sie nur und ging hinaus, ohne sich zu verabschieden. Würde dieser kluge, energische Mann jemals begreifen, warum so viele jener Menschen, die ihm nahestanden, ihn aus tiefstem Herzen hassten?

    Marie warf sich auf das Bett und krallte ihre Finger in die Kissen. Ihr ganzer Körper bebte, als litte sie an hohem Fieber. Die Tränen wollten nicht aufhören zu fließen. Sie japste nach Luft und trat mit den Füßen gegen die Matratze, um sich von der qualvoll stechenden Wut zu befreien. Es nützte nichts. Der Schmerz kam in Wellen, die durch alle ihre Glieder flossen.
    »Er hat deine Bitte also abgelehnt«, drang Aliénors nüchterne Stimme an ihr Ohr. Marie fuhr auf.
    »Ja, genau das hat er. Er ist erbarmungslos! Und dabei dachte ich, dass er mich mag. Jetzt will er mich ins Kloster nach Edwardstowe schicken.«
    Sie spürte Aliénors Hand an ihrer Schulter und schüttelte sie ab. Plötzlich war es völlig unwichtig, ob sie ihrer Königin dadurch missfiel. Aliénor schien aber nicht verärgert, sondern stand unbeirrt auf und hielt ihr einen Becher Wasser hin. Marie überwand den Drang, ihn nun selbst gegen die Wand zu schleudern.
    »Henri mag dich, Marie«, sagte Aliénor sichtlich unbeeindruckt von ihrem Trotz.
    »Ach ja? Und warum lässt er mich dann nicht heiraten, wen ich will?«, bäumte Marie sich nochmals auf.
    Aliénor ließ sich auf der Bettkante nieder.
    »Das wird er niemals erlauben. Weder dir noch Emma noch irgendeiner seiner Töchter. Er hat bestimmte Vorstellungen, wie seine Untertanen sich zu verhalten haben, und von denen weicht er nicht ab. Ich habe zwanzig Jahre mit diesem Mann gelebt. Ich kenne ihn. Nichts macht ihn gefährlicher als Widerstand.«
    Marie wischte die Tränen von ihrem Gesicht. Der Weinkrampf hatte nachgelassen, aber sie fürchtete sich vor der tiefen Verzweiflung, die auf ihn folgen würde.
    »Henri mag dich. Sonst würde er dir nicht das Kloster
anbieten«, sprach Aliénor weiter. »Du bist an diesem Ort besser aufgehoben denn als Gemahlin eines wildfremden Mannes.«
    Sie ergriff Maries Hand und drückte sie mit erstaunlicher Innigkeit.
    »Gehe ins Kloster und warte, Marie, so wie auch ich warten muss. Richard wird ihn besiegen«, wiederholte sie jenen Satz, mit dem sie sich selbst in den letzten Monaten immer wieder Mut zugesprochen hatte. »Ich glaube, selbst Henri weiß, dass er diesem einen seiner Söhne nicht immer gewachsen sein wird. Richard ist königlicher als er.«
    Marie unterdrückte alle Worte des Protests, die ihr in den Sinn kamen. Richard wirkte eindrucksvoller, doch machte ihn dies nicht zu einem besseren König. Zudem hatte Henri gerade aller Welt gezeigt, welch kluger militärischer Stratege er war.
    Sie richtete sich auf und stellte erleichtert fest, dass sie wieder ruhig atmen konnte. In ihrem Kopf nahm ein Plan allmählich Gestalt an, den sie nicht einmal Aliénor zu erzählen wagte. Als Amaria das Abendmahl brachte, saß Marie

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