Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
Marie sich auf den Rückweg zu Aliénor. Gleichzeitig dankte sie Gott, dem Schicksal und zur Sicherheit auch Angharads Rabengöttin für Jeans Treue. Erst als die Tür zu dem Turmzimmer vor ihr auftauchte, wurde ihr bewusst, dass Cadells bevorstehender Tod sie nicht nur von der Gefahr befreit hatte, zu ihm zurückgeschickt zu werden. Als Witwe konnte sie erneut vermählt werden, sobald ihr Onkel einen geeigneten Mann für sie fand.
    Marie kämpfte ein Gefühl der Panik nieder. Sie würde mehr Erfolg haben als Emma, da Henri ihre Lais mochte. Sie musste nur den richtigen Moment und die passenden Worte finden, um ihr Anliegen überzeugend vorzutragen. Es musste ihr gelingen, wenn doch so viele Menschen ihren Verstand lobten.
    Doch tief in ihr nagte der Zweifel.

14. Kapitel
    M arie hatte ihr letztes Lai vorgetragen und staunte, dass sie nichts weiter empfand als völlige Ruhe. Alle Zweifel am Wert ihrer Arbeit hatte sie während langer Mühen an ihrem Schreibtisch hinter sich gelassen. Sie lebte in ihrer Geschichte und schuf sich dadurch ihre eigene Welt, in die sie nun ihren Zuhörern Einlass gewährt hatte.
    Henri musterte sie mit einem zufriedenen, fast stolzen Lächeln. In dem Blick, den er Richard de Luci zuwarf, lag ein Hauch von Triumph.
    »Ich sagte doch, das Mädchen ist gut! Sie kann es sogar mit meinem Lieblingsdichter Wace aufnehmen. Diese erste Geschichte, die sie vorlas, die kleine Episode über Tristan und seine geliebte Königin, das war charmant. Der kriegerische Eliduc mit seinen zwei Frauen gefiel mir allerdings noch besser!«
    Marie lauschte dem verhaltenen Lachen und zustimmenden Gemurmel. Für einen Moment verspürte sie vollkommenes Glück. Dann ließ sie ihren Blick über die Versammelten schweifen. Die Prinzessinnen Eleanor und Joanna musterten sie mit leuchtenden Augen, als seien sie erfreut, die Lieblingsdichterin ihrer Mutter endlich wiederzusehen. Marguerite, Constance und Alais blickten nur stumm geradeaus. Sie schienen immer noch nicht genau zu wissen, wie sicher ihre Stellung an Henris Hof war, da sie doch mit den
aufständischen Söhnen vermählt waren. Daher schwiegen sie meist, wie es sich für Frauen gehörte. Der Bischof von Ely hatte sich ein paar Geistlichen an seiner Seite zugewandt. Marie vermochte seinen ernsten Gesichtsausdruck nicht zu deuten, aber sie war froh über das Klosterende des Lais über Eliduc. Es machte diese Geschichte weniger aufwieglerisch.
    »Aber was sie schreibt, ist nicht wahr, obwohl sie das immer wieder behauptet!«, hörte sie plötzlich eine bekannte Stimme nörgeln. »Der große Wace erzählte uns von König Artus und seinen Vorfahren. Doch sie hat sich alles einfach nur ausgedacht!« Denis Piramus hatte es offenbar geschafft, an die Seite eines Bischofs vorzudringen. Als mehrere Augenpaare sich ihm zuwandten, wurde sein Gesicht von einer roten Flut überschwemmt. Schweiß glänzte auf seiner Stirn.
    Marie holte schon wütend Luft, um zu erklären, dass sie alte bretonische Sagen als Grundlage für die meisten ihrer Lais nutzte. Auch Wace hatte sich auf Sagen gestützt. Doch der König kam ihr zuvor.
    »Und wen kümmert es, ob es wahr ist oder nicht, solange sie niemanden damit langweilt, was die Schwäche vieler vermeintlicher Poeten ist!«
    Gelächter hallte durch den Raum. Denis Piramus duckte sich unter dem Angriff und schob die Schultern vor. Marie empfand diesmal kein Mitgefühl für ihn.
    »Und nun wünsche ich, mit meiner Nichte allein zu reden«, fuhr der König sogleich fort. Die Anwesenden erhoben sich gehorsam. Als der Raum sich geleert hatte, ließ Henri einen Diener Wein, Brot und Speck bringen. Offenbar bevorzugte er einfache Mahlzeiten, seitdem Aliénor nicht mehr an seiner Seite saß.
    Marie nippte an ihrem Weinpokal. Sie empfand keinen Hunger, legte aber aus Höflichkeit eine Scheibe von dem Speck auf ihr Brett. Dann biss sie in eine Brotscheibe.

    »Wir sollten über deine Zukunft reden, Marie«, begann der König. Sie hörte, wie ihr Herz pochte. Zwar hatte sie mittlerweile Übung darin, die richtigen Worte zu finden, doch jetzt ging es um ihr eigenes Leben.
    »Meine Söhne habe ich bald in die Knie gezwungen«, erklärte Henri. Sie staunte, einen Anflug von Trauer in seiner Stimme zu hören, und richtete ihren Blick auf das Bärengesicht. Henri sah erschöpft aus, als hätte das Niederschlagen dieses Aufstands ihn an die Grenzen seiner scheinbar unbändigen Kraft gebracht. Wieder wurde ihr bewusst, dass ihr Onkel von seiner ganzen

Weitere Kostenlose Bücher