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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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trotzdem folgen. Wenn du mir nicht hilfst, versuche ich es allein«, zischte sie.
    Zu ihrer Erleichterung ließ Guy sie los.
    »Wenn du ihm jetzt nachläufst, wird Henri denken, dass es ein gemeinsamer Plan war«, schrie Guy. »Er wird nicht nur dich strafen, sondern auch Jean. Als Nichte des Königs kommst du mit dem Leben davon. An einem einfachen Ritter hingegen kann er seinen Zorn ungehindert auslassen.«
    Etwas in Marie zerbrach. Sie sackte in die Knie, als hätte jemand sie in den Magen getreten. Eine alte Geschichte, die Guillaume immer wieder erzählt hatte, tauchte in ihrem Gedächtnis auf. Abélard war entmannt worden, weil er die Nichte eines reichen Mannes verführte hatte.
    Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen, um die Welt nicht mehr sehen zu müssen. Etwas Warmes streichelte über ihren Rücken. Sie brauchte eine Weile zu begreifen, dass es Guys Hand war.
    »Er hat mir etwas für dich gegeben«, flüsterte der Ritter mit leiser, fast zärtlicher Stimme. »Damit du ihn nicht vergisst.«
    Marie schrie auf und krümmte sich, als sie den grauen Stein in ihrer Hand fühlte. So hatte Jean schon einmal Abschied genommen.
     
    Die See war unruhig. In der winzigen Kammer auf dem Schiff, das sie nach England trug, glitten die Stühle unter ihnen manchmal den Wänden entgegen. Der Kerzenhalter beugte sich mit der Tischfläche, auf der er festgeschraubt war, in verschiedene Richtungen, doch die Flammen wiesen gerade zum Himmel jenseits der hölzernen Planken.
    »Ich soll nach Salisbury«, erzählte Aliénor. »Dort wird Robert Malduit mich weiter bewachen.«

    Marie starrte auf ein Blatt Pergament, das sie immer wieder festhielt, wenn es abzurutschen drohte. Sie packte regelmäßig ihre Schreibutensilien aus, denn das Einhalten alter Gewohnheiten half ihr, einen weiteren Tag hinter sich zu bringen, doch wusste sie nicht, wann sie wieder würde schreiben können. Ihr Kopf war wie leergefegt. Die Vorstellung, weitere Liebesgeschichten zu ersinnen, löste nichts als lähmenden Schmerz aus.
    »Kann ich nicht mit Euch kommen?«, wandte sie sich an Aliénor. Die Königin war ihr nun vertrauter als jemals zuvor. Nach Jeans Abreise war sie von ihr umarmt, getröstet und zum Essen ermahnt worden, als hätte sie zum ersten Mal in ihrem Leben eine Mutter. Doch Aliénor schüttelte den Kopf.
    »Henri würde es nicht erlauben. Im Augenblick gibt es wohl keinen schlechteren Einfluss auf eine junge Frau als mich.«
    Ihr Lachen klang heiter und frei von Bitterkeit. Die Tage, da sie eine völlig verzweifelte Marie umsorgt hatte, mussten ihr Kraft geschenkt haben.
    »Was ist mit meiner Tochter?«, sprach Marie ihre letzte Hoffnung aus. »Wenn ich dem König von ihr erzähle, dürfte ich sie dann ins Kloster mitnehmen?«
    Aliénor hob den Kopf. Eine Falte erschien zwischen ihren Brauen.
    »Vermutlich könntest du es. Sie ist ein Bastard in zweiter Generation, aber das Blut der Grafen von Anjou fließt in ihren Adern. In einem Kloster könnte sie standesgemäß aufwachsen. Henri wird sie nach seinen Wünschen verheiraten, wenn sie alt genug ist.«
    Dann senkte Aliénor ihren Blick auf ihre Stickerei, als wolle sie Marie nicht weiter in ihrer Entscheidung beeinflussen. Amélie konnte eine anerkannte Verwandte des Königs
sein und mit einem seiner Vasallen vermählt werden. Sie konnte auch bei einer wohlhabenden Bäuerin bleiben, wo ihre Umstände bescheidener aber nicht elend wären. Und wo sie von ganzem Herzen geliebt wurde. Jeans Mutter würde ihre Enkelin niemals in eine Ehe zwingen, die ihr zuwider war.
    Marie biss sich ins Handgelenk, um den Schmerz zu betäuben. Die Botschaft ihres Verstandes war klar und unerbittlich. Indem sie auf ihre Tochter verzichtete, tat sie ihr den größtmöglichen Gefallen.
    Sie streckte sich auf der schmalen Matratze aus und strich über die vielen Flächen des grauen Steins. Von Jean zu träumen war erträglicher, als ihn zu vergessen und in einer tristen Welt zu verharren, die sämtliche Farben verloren hatte.
    Aliénor legte den Strickrahmen zur Seite und nahm jene kerzengerade Haltung an, mit der sie an der Tafel im Palast von Poitiers gethront hatte. Trotz des zu einem schlichten Kranz geflochtenen, mit grauen Strähnen durchzogenen Haars und der nonnenhaften Gewänder, die ihnen für die Reise überreicht worden waren, erblickte Marie zum ersten Mal nach langer Zeit die unerschütterliche, stolze Herrscherin vor sich.
    »Du wirst dein Kind und deinen Geliebten eines Tages wiedersehen,

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