Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
Bluthund, der einer Fährte folgte«, schrie sie. Einer der Männer aus Guys Gefolge hob drohend seine Hand, doch der Ritter winkte ab.
    »Wir haben, was wir suchten, und jetzt können wir gehen. Lasst das Mädchen los.«
    Doch nur Hawisa, der die Arme auf den Rücken gedreht worden waren, wurde freigelassen.
    »Die kleine Schlampe und ihre Familie haben den König hintergehen wollen. Wir sollten ihnen eine Lehre erteilen«, knurrte einer der Männer.
    »Es gibt keinen Grund, hier irgendetwas zu zerstören. Lasst uns wieder nach Woodstock reiten, denn dort werden wir erwartet«, mahnte Guy de Osteilli erneut. Seine Männer gehorchten, wenn auch ohne große Begeisterung, denn die Lust hier noch eine Weile wüten zu können, war ihnen ins Gesicht geschrieben.
    Da betrat eine weitere Gestalt den Raum und drängte sich an die Wand, als wolle sie mit ihr verschmelzen.
    »Es wird alles so sein wie abgemacht«, begrüßte der Ritter den Neuankömmling. »Euch geschieht nichts, auch deine Schwester braucht keine Strafe zu fürchten.«
    Mit einer bösen Ahnung sah Marie in Hamelins Gesicht, doch der senkte den Blick. Hawisa tat einen Schritt in seine Richtung.
    »Du bist ein dreckiger Verräter«, rief sie und schlug ihm mit der flachen Hand ins Gesicht.
    »Also das würde ich mir von meiner Schwester nicht bieten lassen«, rief einer der Männer und lachte. »Lehre sie, wie eine Frau sich zu benehmen hat, Junge! Für so eine Wildkatze wirst du so leicht keinen Bräutigam finden.«
    »Also ich würde sie nehmen. Sie sieht nicht übel aus, und es könnte Spaß machen, sie zu zähmen«, erwiderte ein anderer
und löste dadurch grölendes Gelächter aus, auf das weitere, nun deutlich anzügliche Bemerkungen folgten. Guy de Osteilli verzog das Gesicht wie stets bei derben Männerscherzen. Eilig schob er Marie aus dem Zimmer.
    »Es tut mir leid, Hawisa, aber es wäre niemals gut gegangen, und wir hätten uns eine Menge Ärger eingebrockt. So bekommen wir eine saftige Belohnung«, hörte sie Hamelin murmeln, während sie jenen Raum durchquerte, in dem sie noch am Abend zuvor voller Hoffnung gegessen und getrunken hatte. Wie betäubt ließ sie sich von Guy de Osteilli zu einem Karren führen, der sie wieder an den königlichen Hof bringen würde.
    »Wer einmal zu Henris Gefolge gehört, entkommt ihm nicht so leicht. Mit Verlaub, Demoiselle, Ihr habt Euch unklug verhalten, und nun betet, dass Euch keine allzu harte Strafe trifft«, meinte der Ritter, als er ihr beim Aufsteigen half, um sich gleich darauf auf sein Pferd zu schwingen. Zusammen mit den anderen Männern kreiste er den Karren ein. Jenes Gedränge aus Menschen, das wie immer sämtliche Straßen verstopfte, löste sich beim Anblick der zwei Leoparden auf den Wappenröcken der Reiter wie von Zauberhand auf, sodass Marie weitaus schneller als bei ihrer Ankunft durch die Stadt gefahren wurde. Das bunte Leben Londons zog nun an ihr vorbei ohne irgendeinen Eindruck zu hinterlassen. Sie fühlte sich durch eine unsichtbare Mauer von ihm getrennt, als sei sie bereits in ein Verlies gesperrt.
    »Hawisa und ihrer Familie wird wirklich nichts geschehen?«, wandte sie sich nur einmal an Guy de Osteilli. Als er nickte, sank sie erleichtert auf das Stroh im Karren und sprach kein einziges Wort mehr.

9. Kapitel
    M arie zuckte zusammen, als das Tor von Woodstock hinter ihr zufiel. Sie betrachtete den Park, der aus hohen Bäumen und dichten Sträuchern bestand. Mit einem Mal schien er gewöhnlich, unterschied sich nicht von der Landschaft, die sie soeben durchquert hatte. Die Zeit, da sie von Neugier verzehrt worden war, endlich einen Blick auf jene seltenen Tiere werfen zu können, die er in seinem Innersten verbarg, gehörte zu einem anderen Leben. Das Labyrinth war nichts als ein alberner Zeitvertreib für gelangweilte Menschen.
    Sie stieg freiwillig vom Karren, um nicht herabgezerrt zu werden. Die Eingangstür zur Burg schien plötzlich das Tor zur Hölle.
    Guy de Osteilli führte sie zielstrebig durch die Räumlichkeiten der Anlage. Marie fühlte, wie der schützende Panzer von Gleichgültigkeit, der sie umgab, seit sie von Hamelins Verrat wusste, mit jedem ihrer Schritte ein Stück mehr zu bröckeln begann. Panische Angst stieg in ihr hoch, raubte ihr fast die Luft zum Atmen. Würde ihr Onkel sie nun bei Wasser und Brot in ein Verlies werfen lassen? Oder drohten ihr jene Prügel, von denen sie bisher ihr ganzes Leben lang verschont geblieben war? Es fiel ihr zunehmend schwer, weiter

Weitere Kostenlose Bücher